Am Weg zu einer CO2-neutralen KAG

„CO2-neutral“ ist in aller Munde. Unsere Post stellt CO2-neutral zu, 50 europäische Flughäfen wollen bis 2030 „carbon neutral“ sein, es werden sogar CO2-neutrale Kraftstoffe entwickelt. Was bedeutet das und was kann eine Kapitalanlagegesellschaft beitragen? Spätestens seit dem Paris-Abkommen von 2015 besteht Handlungsbedarf.

Generell bezieht sich die Problemdarstellung nur auf CO2 aus industriellen Prozessen, öfters auch als „menschengemachtes“ CO2 bezeichnet. Und es geht nicht nur um Kohlendioxid an sich, sondern generell um „Treibhausgase“, dazu zählen im Wesentlichen auch Methan (CH4, Erdgas) oder Stickoxide wie N2O (Lachgas) bzw. Fluorkohlenwasserstoffe*. Also um Emissionen unserer Wirtschaftssysteme, die das Weltklima verändern, wie die überwiegende Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen erörtert. Dass es stets – zumeist von Interessengruppen finanzierte – „Gegenbeweise“ gibt, liegt in der Natur einer pluralistischen Gesellschaft und sollte auch grundsätzlich zulässig sein. Die empirische Evidenz führt jedoch zu klaren Schlussfolgerungen: Es muss etwas geschehen, und alle sind dazu aufgerufen, Staaten ebenso wie Unternehmen oder einzelne Individuen. Eine Vielzahl kleiner Schritte kann auch zu einem großen Fortschritt führen, es muss nur getan werden.

Mag. Klaus Glaser
Global Portfolio Advisor und Experte für Corporate Social Responsibility bei der Raiffeisen KAG

What gets measured gets done

Was kann ein Finanzdienstleister wie eine Kapitalanlagegesellschaft tun? Da wäre zuerst die Betriebsökologie, also die Schadstoffproduktion aus den betrieblichen Prozessen. Besser gesagt, das Erfassen von Emissionen, sei es direkt durch Messungen oder indirekt durch Berechnung aus anderen Größen wie Verbrauchsmengen, und die Zuordnung zu Organisationseinheiten, Prozessen, Produkten oder Leistungen. Dieses sogenannte „Carbon Accounting“ differenziert gemäß den gebräuchlichen Standards nach drei Emissionskategorien (Scopes). Scope-1-Emissionen stammen aus Emissionsquellen innerhalb des Unternehmens, etwa eigene Wärme- oder Kälteerzeugung oder Maschinen. Diese sind eindeutig einem Unternehmen zuordenbar. Scope-2-Emissionen entstehen etwa bei der Energieerzeugung der externen Lieferanten, es werden zugekaufte Strom-, Wärme- oder Kältelieferungen internalisiert. Scope 1 und 2 können nun addiert werden, das wäre das Minimum publizierter CO2-Daten, wäre aber noch zu eng gefasst. Unscharf, sicherlich durch Mehrfachzählungen verzerrt, aber eine wesentliche Komponente im Carbon Accounting ist Scope 3: Das sind die übrigen Emissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen, die durch die Unternehmenstätigkeit verursacht werden. Meist handelt es sich dabei um Emissionen bei Zulieferern, Dienstleistern oder Mitarbeitern bzw. vertriebenen Produkten oder Leistungen. Ein markantes Beispiel: Die „CO2-Pakete“ der verkauften Fahrzeugflotte eines Automobilproduzenten werden in Scope 3, deren Produktion selbst wird in Scope 1 und 2 erfasst. Bei Gebrauchsgegenständen wie Autos oder Waschmaschinen macht Scope 3 über 90 % der Emissionen aus, was weiten Raum für Kontroversen eröffnet. Noch schwieriger sind die CO2-Pakete von Staaten zu evaluieren: Was gehört dem Staat? Produktionsbasiert würden die Schwerpunkte etwa im Bereich Verkehr, Landwirtschaft und Industrie liegen. Eine Alternative wäre eine verbrauchsorientierte Berechnung auf Basis des volkswirtschaftlichen Konsums. Auch das bietet ein breites Feld für Diskussionen.

 

Emissionskategorien

Quelle: EnergieAgentur NRW, http://www.ccf.nrw.de/navi/downloads/emissionsquellen/Emissions_Kategorien_Scopes.pdf

Vermeiden, reduzieren, kompensieren, in dieser Reihenfolge

Zurück zum Unternehmen selbst. Die Konzernmutter Raiffeisen Bank International arbeitet mit einem Carbon Accounting bereits seit über zehn Jahren, die darunterliegende Datenbank wird laufend weiterentwickelt. Das ist Grundlage des jährlichen Nachhaltigkeitsreports und damit eines sehr guten Ratings externer Prüfer. Die Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft selbst ist dabei ein Element, aber ein sehr spezifisches: Als spezialisierter Anbieter von Wertpapierfonds ist das betriebliche „CO2-Paket“ relativ klein, Schwerpunkte bilden Bürogebäude und Dienstreisen.

Das Bürogebäude ist erst ein paar Jahre alt und erfüllt moderne Umweltstandards. Fernwärme und -kälte und der Bezug von Strom aus erneuerbaren Quellen sind ein wesentlicher Beitrag zum Vermeiden und Reduzieren. Reduktion von Kurzstreckenflügen bzw. der Ersatz durch Bahnreisen oder in zunehmendem Maße Telekommunikation sind weitere Beiträge. Dienstreisen – als Scope 3 klassifiziert – sind ja meist in den Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen enthalten, wesentlich seltener findet man das nicht zu unterschätzende Paket der Anreise der Beschäftigten zum Arbeitsplatz, auch das berechnet Raiffeisen Capital Management. Hier ist wiederum das seit Jahren bewährte Jobticket, die Gratis-Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr, eine Maßnahme der Reduktion. Aktuell kommt natürlich auch Homeoffice hinzu, dessen Effekt gilt es noch zu evaluieren. Und was noch übrigbleibt, grob etwa 4 Tonnen pro Kopf und Jahr, wird in einem von der Universität für Bodenkultur wissenschaftlich begleiteten Projekt kompensiert. Damit wären nicht nur der Energieverbrauch, sondern auch die Geschäftsreisen „neutralisiert“. Somit alles bestens?

Nein, wir sind erst am Beginn einer langen Reise, denn es gilt, auch einen Blick auf das Emissionsinventar des Investmentportfolios zu werfen. Das wäre ebenso Scope 3 wie die oben erwähnte verkaufte Fahrzeugflotte eines Auto-Produzenten, denn die Bestände sind ja nicht im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft, diese ist nur Verwalterin. Aktuell berechnen wir solche Pakete für die Nachhaltigkeitsfonds, ein Ausrollen auf das gesamte Portfolio von etwa 200 Fonds ist der nächste Schritt. Ein anderer Zugang ist ein extern berechneter Stresstest zu den Paris-Klimazielen, der ganz aktuell gestartet wurde, es liegen noch keine Ergebnisse vor. Erst wenn solche Messungen konsistent sind und sich bewährt haben, können Maßnahmen evaluiert werden. Aber wir müssen diese wesentlichen Hausaufgaben erledigen. Jetzt, denn Raiffeisen Capital Management will jedenfalls den Weg zu einem glaubwürdigen, CO2-neutralen Unternehmen gehen!

* Folglich ist eine Umrechnung in CO2-Äquivalente nötig, dann stimmt der Begriff CO2 wieder.