Gastkommentar von Mag.a Nunu Kaller
Vor acht Jahren ging ein Aufschrei durch soziale Medien – dass T-Shirts bei billigen Modeketten inzwischen nur noch fünf Euro kosteten, löste kollektives Entsetzen aus. Acht Jahre und ein Fabrikszusammenbruch, der über 2500 Menschen die Gesundheit und mehr als 1100 Menschen das Leben kostete, später, machen die Shirts beim gleichen Anbieter inzwischen nur noch zwei Euro aus. Doch der Aufschrei bleibt aus. Zu sehr sind wir inzwischen diese Preise gewöhnt, zu schnell ist Fast Fashion – die schnelle Produktion von günstiger Kleidung und zugehörigen Trends auf Kosten von Qualität, Umwelt und Menschenrechten mit dem Ziel, Menschen möglichst viel kaufen zu lassen, weil „kostet ja eh nix“.
Mag.a Nunu Kaller
Österreichische Publizistin, Umwelt-Aktivistin und Bloggerin

Die Textilindustrie hat einen Werteverfall zu beklagen, den sie selbst ausgelöst hat. Durch die globalisierte Produktion ist die Herstellung von Mode signifikant billiger geworden – die vielversprechenden Gewinnmargen bei gefinkeltem Marketing haben viele neue Textilbrands entstehen lassen, die sich ein Wettrennen in Sachen Geschwindigkeit bieten und sich preistechnisch am Markt gegenseitig immer weiter unterbieten. Der Effekt: Wir haben das Gefühl dafür verloren, was ein Kleidungsstück wert ist bzw. wert sein sollte, gemessen daran, wieviel menschliche Arbeit und Umweltressource hineinläuft. Einen ähnlichen Effekt kann man bei der Lebensmittel- und insbesondere bei der Fleischproduktion beobachten, wo der Preis des Produkts in keiner Relation mehr zu dem Wert steht, den es angesichts von Tierhaltung und Bauernsterben aber haben sollte.
Wir haben das Gefühl dafür verloren, was ein Kleidungsstück wert ist bzw. wert sein sollte.
Hätte die Textilproduktion keine gröberen globalen Auswirkungen, könnte man von einem erfolgreichen Business Case sprechen. Doch leider hat eine solche Aussage für kein einziges Fast Fashion Unternehmen der Welt Gültigkeit, und wird es auch nie haben. Der Grund: Die Fast Fashion Industrie ist ein einziges Umweltproblem. Misst man die CO2– Emissionen, zeigt sich: Die globale Modeproduktion – so gut wie jeder größere Arbeitsschritt findet in einem anderen Land statt, und zwar dort, wo man ihn am billigsten umsetzen kann – ist hinter dem Flugverkehr der zweitgrößte CO2-Emittent der Welt, noch vor dem Auto- und Schiffsverkehr zusammen. Fokussiert man auf die Ressourcenthematik, wird das Bild noch drastischer:
Wir werfen weltweit pro Jahr 92 Millionen Tonnen Textiles weg. Eine Studie von Greenpeace in Österreich 2019 ergab, dass hierzulande 72 Millionen Kleidungssstücke wenig bis nie getragen in den Kleiderschränken liegen (und wohl in absehbarer Zeit ebenfalls entsorgt werden). Insgesamt besitzen wir Herr und Frau ÖsterreicherIn im Durchschnitt 85 Kleidungsstücke, das sind hochgerechnet auf ganz Österreich mindestens 547 Millionen Teile. Die Hälfte dieser Teile werden innerhalb von weniger als drei Jahren weggeworfen.
Ein einziges Paar Jeans hat einen Wasserverbrauch von durchschnittlich 8000 Litern.
Doch ganz abgesehen von den Müllbergen oder der sinnlosen Verbrennung, die die Modeindustrie auslöst, frisst sie Umweltressourcen. Böden werden durch die Monokulturen von gentechnisch verändertem Saatgut und zugehörigen Insektiziden (ein Drittel aller weltweit produzierten Insektizide landet auf der Baumwolle) übersäuert, der Wassereinsatz ist enorm – ein einziges Paar Jeans beispielsweise hat in der Produktion von Gießen des Saatgutes am Feld bis hin zur Färbung und Waschung einen Wasserverbrauch von durchschnittlich 8000 Litern, bevor sie in den Verkaufsregalen landet. In der Nassproduktion (Färben und Stoffveredelung) kommen teilweise höchst umweltgiftige Chemikalien zum Einsatz, die die Flüsse in der Umgebung der Fabriken nachhaltig verschmutzen und somit der umliegenden Bevölkerung Lebensgrundlage entzieht. Ein zusätzlich sehr ernstzunehmendes Problem ist der massive Einsatz von Polyester – laut Weltfaserreport 2018 beträgt der Polyesteranteil an allen weltweit hergestellten Fasern bereits über 64 Prozent -, das durch die Waschung der Kleidung zu einer der größten Umweltkatastrophen beiträgt: Der Verschmutzung der Weltmeere durch Mikroplastik. Der überwiegende Großteil der Meeresböden ist bereits belegt von Mikroplastikfasern.
Buy less, choose well, make it last.
Die Lösung auf KonsumentInnen-Seite muss ein Umdenken in Sachen Mode sein. „Buy less, choose well, make it last“ ist ein berühmtes Zitat der Modeschöpferin Vivienne Westwood, das es sehr genau auf den Punkt bringt: Wir müssen weniger konsumieren, stärker auf Qualität achten, und der Kleidung eine längere Lebenszeit als die durchschnittlichen drei Jahre geben.
Doch dieses Umdenken allein wird nicht reichen, da es angesichts des rasend fortschreitenden Klimawandels zu lange dauern wird, bis es mehrheitsfähig ist. Es muss seitens der Forschung, der Politik und der Industrie selbst neue Rahmenbedingungen geben: Ein Lieferkettengesetz oder Importzölle können da nur ein erster Schritt sein, die Erforschung neuer, umweltverträglicher Textilien, bessere Produktionsbedingungen, langsamere Produktionskreisläufe und menschenwürdige Behandlung der ArbeiterInnen an allen Stellen der Lieferkette liegen in der direkten Verantwortung der Herstellenden. Im Endeffekt muss die Fast Fashion Industrie sich selbst abschaffen und zu neuen, klima- und menschenfreundlichen Produktionsweisen finden.
Erfahren Sie mehr in unserem Nachhaltigkeitsmagazin NACHHALTIG INVESTIEREN – Ausgabe 30 zum Thema Fast Fashion.