Round-Table-Diskussion zum Thema E-Mobilität und alternative Antriebe
Unter der Moderation von Dieter Aigner, dem Geschäftsführer der Raiffeisen KAG, diskutieren Ute Teufelberger, Vorsitzende des Bundesverbands für Elektromobilität, Michael Woltran, Chief Advisor Gas Innovation & Advocacy der OMV und Günther Schmitt, Fondsmanager des Raiffeisen-MegaTrends-Aktien, über die Zukunft von E-Mobilität und alternativen Antrieben.

Ute Teufelberger
Vorsitzende des Bundesverbands für Elektromobilität
Wenn wir heute einen Blick ins Jahr 2030 werfen: mit welchen Antrieben werden wir uns fortbewegen?
Ute Teufelberger: Der Trend, der vom Gesetzgeber vorgegeben wird, ist ein starker Anstieg bei der Elektromobilität. Speziell beim Individualverkehr wird diese Antriebsform einen sehr großen Anteil haben. In anderen Bereichen – beispielsweise beim Güterverkehr – wird es bestimmt auch andere Antriebssysteme geben, Wasserstoff beispielsweise. Die Mobilität wird sich grundsätzlich sehr stark verändern. Auch die Logistik. Wenn die Entwicklung aber so weitergeht, ist aus meiner Sicht ein 20- bis 30-%-Anteil an Elektromobilität vorstellbar. Derzeit sind es gut 0,5 %.
Michael Woltran: Wir sehen die Mobilität der Zukunft in einer wesentlich vielfältigeren Form als wir sie heute kennen. Die Diskussion ist sehr stark auf den Individualverkehr fokussiert, aber wenn man sich anschaut, wohin die Energie fließt, dann geht etwa die Hälfte in das Bewegen von Gütern. Das wird oft übersehen. Darüber hinaus haben wir Flugverkehr, Schiffstransporte et cetera. Das sind Formen der Mobilität, die in der öffentlichen Diskussion teilweise gar nicht wahrgenommen werden. Die Diskussion fokussiert sich eher auf die PKWs und hier sehen wir für 2030 eine Vielzahl und Breite an Antrieben: Elektroautos, alle möglichen Hybridvarianten, Erdgas-Antriebe – auch auf Bio-Basis. Das Thema Wasserstoff wird sicherlich eine wichtigere Rolle spielen. Welches Konzept sich durchsetzen wird, wird auch stark davon abhängen, inwieweit sich die Menschen, die Konsumenten, auf das Thema Mobilität fokussieren.
Günther Schmitt: Meiner Meinung nach wird überschätzt, wie stark sich das Elektroauto durchsetzen wird. Ich glaube auch nicht daran, dass die Strafen der Politik, die für 2021 angekündigt wurden, greifen werden. Wenn ein Unternehmen wie Volkswagen 30 Milliarden Euro in die Elektromobilität investiert und dann zwei Milliarden Euro Strafe zahlen muss, werden sehr schnell Fabrikschließungen im Raum stehen. Dann wird sich die Politik nochmal überlegen, ob sie so ein Unternehmen abstrafen wird. Ich glaube, dass Elektromobilität ein Hype war, der sich nun langsam wieder entschleunigt. Für 2030 sehe ich Hybridautos als Standard.
Michael Woltran
Chief Advisor Gas Innovation & Advocacy der OMV

Haben Elektrofahrzeuge überhaupt noch eine Chance, langfristig zu bestehen?
Michael Woltran: In bestimmten Teilbereichen haben Elektrofahrzeuge voll und ganz ihre Daseinsberechtigung. Im innerstädtischen Bereich beispielsweise. Für den Schwerverkehr wird Elektromobilität nicht funktionieren – zumindest nicht ohne Breakthrough Technology. Nicht in den nächsten zehn und vermutlich auch nicht in den nächsten zwanzig Jahren. Die Batterien bringen diese Leistung einfach nicht. Hier werden sich andere Technologien durchsetzen. Wasserstoff drängt sich – vielleicht noch nicht bis 2030 – aber sicherlich danach, für den Schwerverkehr auf.
Ute Teufelberger: Was den Individualverkehr betrifft, gehe ich von einem großen Anteil an Elektromobilität aus. Das wird einhergehen mit einem Wandel des Mobilitätssystems. Man nimmt wahr, dass das Auto als Statussymbol bei den Jungen nur noch einen geringen Stellenwert hat. Das wird sich noch stärker ausprägen. Zusätzlich werden in Zusammenhang mit autonomem Fahren weniger Autos gebraucht werden. Der Anteil der Autos, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden, wird jedenfalls steigen. Das ist wichtig und notwendig. Das ist auch keine Frage, ob das Österreich oder die Regierung so will, sondern das ist einfach eine Vorgabe auf europäischer Ebene und auch eine notwendige Reaktion auf die Entwicklungen in China. Auch wenn sich europäische Autohersteller hier eine langsamere Entwicklung wünschen würden, muss der Markt darauf reagieren, sonst kommen chinesische Hersteller auf den europäischen Markt und das wird sicherlich auch nicht gewollt. Das betrifft nicht nur die Autohersteller, sondern auch die Batterieherstellung und andere Technologie-Nischenmärkte.
Günther Schmitt: Allerdings rudern die Chinesen schon wieder etwas zurück. Bis vor kurzem haben sie jedes Elektroauto mit mehreren tausend Euro subventioniert. Diese Förderungen wurden jetzt um 60 bis 65 % zurückgefahren. Jetzt interessieren sie sich verstärkt für Wasserstoff-Autos und haben bei Toyota angefragt, ob sie nicht bei der Forschung und Entwicklung behilflich sein können. Ich sehe auch nicht, dass die Chinesen so erpicht darauf sind, ihre Elektroautos in die Welt zu exportieren. Was sie in die Welt exportieren, das sind Batterien und da gibt es in Europa wenig Interesse, in Konkurrenz zu treten.

Günther Schmitt
Fondsmanager des Raiffeisen-MegaTrends-Aktien
Wie schaut es mit der Ladeinfrastruktur aus? Werden wir künftig eine Vielzahl an – vielleicht auch mobilen – Lade- und Betankungssystemen benötigen?
Michael Woltran: Das wird sich Schritt für Schritt entwickeln. Für jedes Segment wird es eine Infrastruktur geben. Nicht flächendeckend, sondern anteilsmäßig entsprechend dem Bedarf. Wasserstoff wird vor allem für LKWs und Busse an konzentrierten Tankstellen zur Verfügung stehen. Das lässt sich mit einer überschaubaren Investition, beispielsweise in kurze Wasserstoffleitungen oder flexible Verladesysteme mit LKWs, realisieren. Das gilt auch für Biogas, das sich aus ländlichen Regionen, vielleicht auch in flüssiger Form, transportieren lässt. Es ist nicht notwendig, ein flächendeckendes Netz aufzubauen, sondern erste Brückenköpfe. An diesen Erfahrungen entlang können dann bis 2050 voll ausgebaute Systeme entwickelt werden. Es braucht jedenfalls Technologieoffenheit und die Freiheit, dass man sich in alle Richtungen bewegen kann.
Was macht die Branche, um konkurrenzfähig zu bleiben? In welche Richtung geht die Innovationskraft der Anbieter?
Günther Schmitt: Für die Automobilkonzerne wird alles viel teurer, weil man auf alle Technologien setzen muss. Deswegen sind Autounternehmen an der Börse auch so billig gepreist, weil die Kosten für diese Unternehmen extrem gestiegen sind. Sie müssen sich in Richtung Hybrid weiterentwickeln, aber auch an der klassischen Verbrennungstechnologie weiterarbeiten. Darüber hinaus gilt es, die Themen Elektromobilität und Wasserstoff voranzutreiben. Also aus einem Bereich, oder maximal zwei Bereichen mit Diesel, sind fünf, sechs Bereiche geworden. Die Autokonzerne versuchen, das an die Zulieferer weiterzugeben. Diese werden dadurch noch mehr unter Druck gesetzt. Auch für die Versorger ist es schwierig geworden. Sie versuchen seit rund zehn Jahren, sich neu zu erfinden. Gehen Beteiligungen ein und wissen selbst nicht so genau, wohin der Weg geht. Solange das so ist, wird es für jeden teuer.
Ute Teufelberger: Elektromobilität wird in einem stärkeren Ausmaß kommen. Das ist der politische Wille. Wenn ein Haushalt, der durchschnittlich 5.000 Kilowattstunden im Jahr verbraucht, für ein Elektroauto zusätzlich 3.000 Kilowattstunden verbrauchen wird, dann ist es der logische Auftrag eines Energieversorgers, dafür zu sorgen, dass dieser Strom zur Verfügung steht. Darüber hinaus müssen die Netzbetreiber die Stromnetze auf diesen zusätzlichen Bedarf vorbereiten, diese Vorbereitungsarbeiten werden gerade getroffen. Wir haben derzeit diverse Forschungsprojekte laufen. Zum Beispiel werden in Echttests ganze Straßenzüge mit Elektroautos ausgestattet, um zu schauen, wie die Netze reagieren. Welche Leistung wirklich gebraucht wird, wie man Lasten reduzieren kann. Wir sind auf einen größeren Ansturm bei Elektromobilität vorbereitet und wir warten auf die Entwicklungen und Angebote seitens der Autoindustrie.
Woher kommt der Strom für die Elektromobilität?
Ute Teufelberger: Das Portfolio der Stromversorger in Österreich besteht zu mehr als 70 % aus erneuerbarer Energie. Österreich ist ein Paradebeispiel für ein Land, in dem Elektromobilität wirklich Sinn macht. Weil die Energie, mit der das Auto angetrieben wird, zum Großteil erneuerbar ist. Hinzu kommt, dass die für Elektromobilität zusätzlich benötigte Energiemenge bewältigbar ist, weil wir es mit einer sehr effizienten Antriebsform zu tun haben. Die erforderlichen Strommengen stressen die Energieversorger überhaupt nicht. Eher die Leistungsanforderung, also wie viel Strom zu einem gewissen Zeitpunkt gebraucht wird. Das betrifft das Stromnetz. Diese Frage fordert heraus.
Michael Woltran: Spannend wird, wie 2020/2021 die Autoindustrie – vor allem die großen Hersteller – ihre Flottenziele umsetzen werden und ob der Konsument mitspielen wird. Seit zwei, drei Jahren wird sehr intensiv über persönliche Mobilität und Klimawandel diskutiert. Doch wenn man sich Zulassungsstatistiken in Deutschland ansieht, dann zeigt sich, dass der durchschnittliche Flottenverbrauch in Deutschland gestiegen ist. Das ist ein Faktum, in Österreich übrigens auch. Das heißt der Konsument hat noch nicht verstanden, was ihm die Politik vorgibt. Spannend, ob sich das innerhalb der nächsten Jahre tatsächlich ändern wird. Das Drei-Liter-Auto ist seit rund sechs Jahren auf dem Markt. Es wird allerdings nicht gekauft. Ich persönlich bin daher äußerst skeptisch, dass das Elektroauto in großem Stil gekauft wird, weil es eine Veränderung der Fahrgewohnheiten bedeutet.
Günther Schmitt: Selbst wenn man mit Subventionen den Verkaufspreis auf das gleiche Level von konventionell betriebenen Autos bringt, den Wiederverkaufswert wird man mit Subventionen nicht beeinflussen können und momentan ist es so, dass man ein drei Jahre altes Elektroauto zu 40 % des Neupreises verkaufen kann, während ein Verbrennungsauto in etwa 60 % des Marktpreises bringt.
Ute Teufelberger: Weil es hier noch keinen Markt gibt. Dieser muss sich erst entwickeln.
Günther Schmitt: Meiner Meinung nach geht es nicht um den Markt, sondern um die Batterien, die nach drei Jahren keine Leistung mehr erbringen. Keiner kauft ein Auto, das in der Neuanschaffung eine Reichweite von 400 Kilometern hatte und nach drei Jahren nur noch 200 Kilometer schafft.
Ute Teufelberger: Das ist richtig. Bei den Batterien braucht es sicherlich noch weitere Entwicklungsarbeit, auch wenn es bereits Elektroautos gibt, bei denen die Wirkungsgrade weit über den Erwartungen sind. Auch die Anschaffungskosten gehen runter. Bald wird der VW e-Golf auf den Markt kommen, der preislich mit dem konventionellen Golf mithalten kann. Wenn man sich die Lebenszykluskosten anschaut, steigt man derzeit mit dem aktuellen steuerlichen Regime und den Energiekosten beim Elektroauto günstiger aus.

Apropos Batterie. Diese gilt als Schwachstelle im System. Liegen hier schon brauchbare technologische Lösungen in der Schublade?
Michael Woltran: Nur um ein Gefühl dafür zu bekommen, von welchen Dimensionen wir hier reden: wenn wir 2030 die Ziele erreichen wollen, die die Bundesregierung vorgegeben hat, dann brauchen wir zumindest fünf Terrawattstunden längerfristigen Stromspeicher. Die Kosten dafür: rund 300 Milliarden Euro, wenn man dies mit Batterien lösen würde. Das Vorhaben, Elektroautos als zusätzlichen Speicher zu nutzen, mit dem man am Abend beispielsweise die Waschmaschine bedient, ist sicherlich nicht ausreichend, um das abzudecken. Es wird diesbezüglich noch viele innovative Ansätze geben und noch viel passieren. All das wird sich aber im Prozentbereich des Gesamtbedarfs bewegen. Um die großen Strommengen zu speichern, braucht es neue Lösungen. Hier wird uns nur die Power-to-Gas-Technologie helfen.
Welche Unternehmen und Branchen sind aus Investorensicht von Interesse?
Günther Schmitt: Bis vor kurzem waren wir im traditionellen Fondsbereich stark in dieses Thema investiert, sind zuletzt aber deutlich zurückgefahren. Wir haben uns die gesamte Lieferkette angesehen. Welche Rohstoffe werden gebraucht? Lithium, Kobalt, Nickel, beispielsweise. Können Batteriehersteller damit Geld machen? Wie schaut es mit den Zulieferfirmen und den Autoproduzenten aus? Wer profitiert eigentlich von dem Ganzen? Am Anfang war es so, dass man mit Lithium-Produzenten ganz gutes Geld verdienen konnte. Mittlerweile könnte Kobalt knapp werden. In Batteriehersteller waren wir nie so wirklich investiert. Panasonic wäre hier in Frage gekommen, von denen Tesla die Batterien bezogen hat. Doch Tesla setzt jetzt auf einen chinesischen Hersteller. Es ist schwierig zu sagen, welche Technik sich durchsetzt. Bei den Autoherstellern haben wir – außer Toyota – keine Unternehmen im Portfolio. Toyota deshalb, weil wir glauben, dass Hybrid-Autos auf die nächsten zehn Jahre die Gewinner sein werden.
Ist von einer neuen Kommission auf EU-Ebene Rückenwind für die Klimaziele zu erwarten?
Michael Woltran: Die Herausforderungen für die Umsetzung werden immer größer. Der Druck im Kessel steigt auf allen Fronten. Doch das Thema Klimawandel wird nicht in Europa entschieden und es wird auch nur bedingt durch unser Verhalten beeinflusst. Europa emittiert 10 % der Treibhausgase weltweit. Getrieben wird das Thema von dem, was außerhalb Europas passiert.
Ute Teufelberger: Europa hat aber eine große Verantwortung, hier als Vorbild zu agieren. Mobilität muss man breiter sehen. Sie hat nicht nur Auswirkungen auf die Klima- und Energiepolitik, sondern auch auf die Gesundheitspolitik und auch auf politische Abhängigkeiten.
Günther Schmitt: Auch sollte man die Macht der Investoren nicht unterschätzen. Europa mag zwar nur 10 % der Treibhausgase emittieren, aber in Europa sitzen etwa 20 % der Investoren weltweit. Investoren, wie beispielsweise die Raiffeisen KAG, die mit mehr als 3 Milliarden nachhaltig investiert ist, gehen zu Hauptversammlungen oder stimmen online ab. Das war vor 20 Jahren noch ganz anders, da haben Hauptversammlungen niemanden interessiert. Heute melden wir uns zu Wort und bestimmen mit, was passiert oder nicht passieren darf. Das kann in Zukunft extrem viel verändern.