Zur Eindämmung des Klimawandels haben sich die Länder der EU sehr ambitionierten CO2-Zielen verschrieben. Bis 2030 sollen im Rahmen des EU-Green-Deals die CO2-Emissionen um zumindest 55 % (gegenüber dem Basisjahr 1990) reduziert werden. In den vergangenen 30 Jahren wurden diese um rund 24 % nach unten gebracht, das bedeutet zugleich, dass der Großteil der Reduktion innerhalb der kommenden zehn Jahre zu stemmen ist.
Mag. Hannes Loacker
Senior-Fondsmanager bei der Raiffeisen KAG

Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es, an mehreren Stellschrauben (möglichst gleichzeitig) zu drehen. Dass der Strom vermehrt aus erneuerbaren Energien produziert werden soll, ist dabei nur eine von vielen. Ein weiterer Schlüssel liegt in einer verbesserten Energieeffizienz.
Investitionen in Gebäudesanierung drängen
Das Potenzial in diesem Bereich ist enorm. In der EU entfallen rund 40 % der konsumierten Energien auf Gebäude. Gleichzeitig zeichnen diese für rund 36 % der energiebedingten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Grund für diesen hohen Anteil liegt in erster Linie darin, dass 35 % der Gebäude in der Europäischen Union über 50 Jahre alt sind und 75 % des Gebäudebestandes als energieineffizient eingestuft werden. Um hier Abhilfe zu schaffen, muss die Renovierungsrate von aktuell 1 % pro Jahr zumindest verdoppelt werden. Und genau das möchte die EU mit ihrer Renovierungsoffensive im Rahmen des Green Deals erreichen. Dazu nimmt die Staatengemeinschaft sehr viel Geld in die Hand.
Die Renovierungsrate muss von aktuell 1 % pro Jahr zumindest verdoppelt werden.
Bis zum Jahr 2030 dürften laut Schätzungen der EU jedes Jahr zusätzlich 275 Mrd. Euro an Investitionen in Gebäude nötig sein, damit sich die Renovierungsrate auf 2 % erhöht. Damit sollen aber nicht nur die CO2-Emissionen deutlich nach unten gebracht werden, die Investitionen sollen zudem auch einen wesentlichen Beitrag zur Ankurbelung der wirtschaftlichen Erholung und zur Verringerung von Energiearmut leisten. Laut EU-Kommission können es sich aktuell fast 34 Millionen Europäerinnen und Europäer nicht leisten, ihre Wohnung zu heizen. Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz dienen daher auch zur Bekämpfung von Energiearmut. Sie wirken sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen aus und helfen dabei, die Energierechnungen niedrig zu halten.
Wie sehen nun die konkreten Pläne der EU aus?
Damit das von der EU-Kommission im September 2020 vorgeschlagene Emissionsminderungsziel von mindestens 55 % bis 2030 erreicht werden kann, müssen nach Berechnungen der Europäischen Kommission die Treibhausgasemissionen von Gebäuden um 60 %, der gesamte Energieverbrauch um 14 % und der Energieverbrauch für Heizung und Kühlung um 18 % gesenkt werden. Die EU schätzt, dass dafür bis 2030 rund 35 Millionen Gebäude renoviert werden müssen, gleichzeitig könnten bis zu 160.000 zusätzliche grüne Arbeitsplätze im Baugewerbe geschaffen werden. Diese Gebäude energieeffizienter zu machen, bedeutet kurz gesagt, dass sie entkarbonisiert, digitaler und „smarter“ werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vielfach von „Green Buildings“. Dabei gibt es sowohl aktive als auch passive Elemente, um die Energieeffizienz eines Gebäudes zu steigern. Passive Elemente inkludieren z. B. Standort und Ausrichtung des Gebäudes in Bezug auf natürliches Licht, Gebäudehüllen einschließlich der verwendeten Materialien (wie Isolierung und Fenster) sowie natürliche Belüftung (etwa durch freie Kühlung). Aktive Elemente wiederum beziehen sich z. B. auf Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme (HVAC), Beleuchtungssysteme, Gebäude- und Energieleitsysteme (Gebäudemanagementsysteme und Strom- und Energiemanagementsysteme) sowie Systeme für erneuerbare Energien. Passive Systeme kommen in der Regel in erster Linie bei Neubauten zur Anwendung, da das Aufrüstungspotenzial bei bestehenden Gebäuden begrenzt ist. Aktive Elemente hingegen spielen sowohl bei bestehenden Gebäuden als auch bei Neubauten eine wichtige Rolle.
Investitionsmöglichkeiten
Gerade in Europa gibt es eine Fülle von Unternehmen, die sich dem Thema Green Buildings verschrieben haben und somit ihren Beitrag zur Erhöhung der Energieeffizienz bei Gebäuden leisten. Das beginnt schon bei einer verbesserten Isolierung. Dadurch wird nicht nur der Heizungs- und Kühlungsbedarf reduziert, sondern es können hier zusätzlich bei der Verwendung des Materials für die Gebäudeaußenhülle CO2-Einsparungen erzielt werden. Eines der größten europäischen Unternehmen in diesem Bereich setzt beispielsweise bei seinen Isolationskomponenten verstärkt auf die Wiederverwertung von Plastikmaterialien (z. B. Pet-Flaschen oder Plastikmüll aus dem Ozean). Eine verbesserte Isolation allein macht ein Gebäude aber noch lange nicht zu einem so genannten Green Building. Darunter versteht man viel mehr, dass Gebäude abseits der verwendeten Materialien mit einem umfassenden Energiemanagementsystem (Stichwort „Internet of Things“) ausgestattet werden. Dadurch lassen sich Daten von vernetzten Geräten nutzen, Wartungsarbeiten zeitnah durchführen, Gebäudesysteme und Räume verwalten, die Stromversorgung überwachen und der Energieverbrauch optimieren. Letzteres wird auch durch den Einsatz von so genannten „Smart Meter“ unterstützt. Ein solcher zeichnet die von einem Gebäude verbrauchte elektrische Energie auf und überträgt diese Daten in digitaler Form. Diese stellen nicht nur für die Versorgerunternehmen eine Möglichkeit dar, die Energienutzung zu optimieren, sondern liefern dem Energiekonsumenten Daten über das Energieangebot sowie den Energiebedarf zum Zeitpunkt der Nutzung. Somit kann der Verbraucher seine Energieverbrauchsgewohnheiten besser an den tatsächlichen Energiebedarf anpassen. Sowohl im Bereich des Gebäudeenergiemanagements als auch im Bereich der Smart-Meter-Technologie sind aus unserer Sicht die Wachstumsperspektiven für die darauf spezialisierten Unternehmen attraktiv.
Eine weitere noch nicht genannte Komponente für ein „grünes“ Gebäude kommt aus der Beleuchtungsindustrie. Durch LED basierte Lichtsysteme können sowohl die CO2-Emissionen als auch die operativen Kosten gesenkt werden. Laut dem Unternehmen Signify könnten in den Benelux-Ländern rund 80 % der bestehenden Beleuchtungen durch LED basierte Lichtsysteme ersetzt werden. Im Rest von Europa stellt sich die Situation nicht viel anders dar. Signify schätzt, dass durch eine solche Umstellung in Europa rund 40 Mrd. Euro an Einsparungseffekten erzielt werden könnte. Zudem rechnet das Unternehmen mit CO2-Einsparungen im Ausmaß von in etwa 100 Mio. Tonnen.
Ohne grünen Strom wird es nicht gehen
Zudem muss die Stromversorgung in den Gebäuden in Zukunft verstärkt mit „grünem“ Strom erfolgen, um letztlich das EU-Ziel – die Senkung der Treibhausgasemissionen von Gebäuden um insgesamt 60 % bis 2030 – erreichen zu können. Daher wird der Wärme- und Kälteerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen ein immer höherer Stellenwert zukommen. Eine wahrscheinliche Einführung eines Mindestniveaus an Energie aus erneuerbaren Quellen in Gebäuden würde diese Entwicklung beschleunigen und somit den Bedarf bzw. das ohnehin schon starke Wachstum für grünen Strom nochmals verstärken.