Europäischer Emissionshandel? Was ist das?

„Bla, bla, bla.“ – Diese Worte verwendete Greta Thunberg beim Jugendklimagipfel in Mailand zur Beschreibung der aktuellen politischen Bestrebungen, dem Klimawandel entgegenzutreten. Gibt es tatsächlich keine Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Emissionen und der daraus resultierenden Klimaerwärmung? Ein zentrales Steuerungsinstrument zur Reduktion der Emissionen in Europa ist der europäische Emissionshandel.

Mag. Alexander Toth
Fondsmanager bei der Raiffeisen KAG

Grundkonzept

Bereits in den 1960er Jahren wurde das Konzept des Emissionshandels und der damit einhergehenden Bepreisung von Emissionsgasen durch John Harkness Dales bzw. Thomas Crocker entwickelt. Die Grundüberlegung war, mit möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten eine signifikante Reduktion von Emissionen wie Abgasen und Abwässern zu erzielen. Dazu wird eine absolute Obergrenze von Emissionen für einen geographischen Bereich definiert und im Gegenzug werden entsprechend viele Zertifikate ausgegeben. Ein Zertifikat verbrieft das Recht, eine festgelegte Menge an Emissionen im Zuge des Produktionsprozesses auszustoßen – z. B. eine Tonne C02. Kommt ein Unternehmen nicht der Pflicht nach, eigene Emissionen mit Zertifikaten abzudecken, wird eine Geldstrafe verhängt. Durch die freie Handelbarkeit führen die Marktmechanismen in weiterer Folge dazu, dass Unternehmen mit technologischer Aufrüstung in gewissen Bereichen relativ einfach große Mengen an Emissionen einsparen, um keine Zertifikate mehr erwerben zu müssen bzw. nicht mehr benötigte Zertifikate verkaufen zu können. Durch eine Verknappung der Gesamtmenge an Zertifikaten kann bei Bedarf die Geschwindigkeit der Transformation gesteuert werden.

 

European Union Emission Trading System (EU ETS)

Dieses Konzept wurde 2003 vom europäischen Parlament sowie dem Rat der EU übernommen und trat als Gesetz am 1.1.2005 in Kraft. Island, Norwegen sowie Liechtenstein nehmen ebenfalls am EU ETS teil. Um den Übergang für Unternehmen zu erleichtern, wurde Unternehmen – mit Ausnahme von Energieerzeugern – ein Teil ihres Jahresverbrauches in Form von Gratiszertifikaten zugeteilt. Der Rest der verbleibenden Zertifikate wurde am Markt versteigert. Die Zeitabschnitte wurden in 4 Phasen (Phase I 2005–2007, Phase II 2008–2012, Phase III 2013–2020 und Phase IV 2021–2030) eingeteilt. Von 2005 bis 2020 sinkt das jährliche „Cap“, das ist die Gesamtmenge der EU-Emissionen, mit dem Faktor 1,74 % p. a., ab 2021 mit dem Faktor 2,2 % p. a. Damit sollten bis zum Jahr 2020 rund 21 % und bis 2030 bis zu 43 % im Vergleich zum Ausgangswert von 2005 eingespart werden.

Es gab im Zeitablauf immer wieder Modifikationen des Systems, um die Effizienz des Mechanismus zu stärken bzw. an neue Zielsetzungen wie die aktuellen Vorschläge aus dem „Fit for 55“-Paket, welches noch ambitioniertere Emissionsreduktionen anstrebt, anzupassen. Derzeit werden die folgenden, relativ genau messbaren Emissionen abgedeckt: CO2 (Kohlenstoffdioxid), N2O (Distickstoffmonoxid), PFC (Fluor-Kohlenstoff-Verbindungen).

Eine Alternative, um an Zertifikate zu gelangen, ist der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklungen (CDM – Clean Development Mechanism). Hier können in Entwicklungsländern entsprechend dem Kyoto-Protokoll definierte Projekte gefördert werden und CERs (Certified Emission Reduction Units) erwirtschaftet werden, welche Äquivalente zu einem klassischen Emissionszertifikat darstellen. Aufgrund der Finanzkrise entstand durch die zuvor getroffenen großzügigen Annahmen in Kombination mit einer schrumpfenden Wirtschaft ein Überschuss an Zertifikaten. Dies führte in weiterer Folge zu einem deutlichen Preisverfall der Zertifikate, welche prinzipiell bis zum Verbrauch gültig sind und kein Ablaufdatum haben. Das Europäische Parlament beschloss daher zur Reduktion des Überschusses 2013 die Versteigerung von rund 900 Millionen Zertifikaten zu verschieben. In weiterer Folge wurden diese Zertifikate in eine „Marktstabilitätsreserve“ (MSR) überführt, welche bei Bedarf zur Liquiditätssteuerung genutzt werden kann. Diese Maßnahmen in Kombination mit den Absichtserklärungen der EU hinsichtlich Klimaschutz führten seit 2017 zu einem deutlichen Preisanstieg bei den Emissionsrechten.

 

Jährliche CO2-Emissionen durch fossile Brennstoffe

Quelle: Global Carbon Project, OurWorldInData.org/co2-and-other-greenhouse-gas-emissions; Note: This measures CO2 emissions from fossil fuels and cement production only – land use change is not included. “Statistical Differences” (included in the GCP dataset) are not included here.

Energiemix matters

Der Energiesektor ist global der größte Emittent von Treibhausgasen. Energieproduzenten und deren Energiemix haben relevante Auswirkungen auf die Nachfrage von Zertifikaten. Ab einem Preis von 16 bis 17 Euro pro Tonne CO2 werden Kohlekraftwerke auf Grund der deutlich geringeren Effizienz bei der Elektrizitätserzeugung im Vergleich zu Gaskraftwerken unrentabel. Kohlekraftwerke operieren mit etwa 50 % der Effizienz eines Gaskraftwerks. Daher wird auch eine derartige Umstellung bei einem aktuellen Preisniveau über diesem Schwellenwert deutlich schneller ablaufen als unter diesem Schwellenwert. In untenstehender Grafik zu den globalen Emissionen aus fossilen Brennstoffen sehen wir, dass bei Ländern mit hohem Kohleanteil im Energiemix wie z. B. China enormes Einsparungspotenzial besteht.

 

Einschätzung

Das zwischenzeitlich abgeschriebene Thema Emissionshandel hat nach einigen Kinderkrankheiten wieder Fahrt aufgenommen. Die Steuerungsmaßnahmen der Europäischen Union im Hinblick auf angestrebte Klimaziele werden zu weiteren Verknappungen führen. Der Kostendruck scheint der einzige funktionierende Anreiz zu sein, um die notwendige technologische Innovation voranzutreiben. Der Europäische Emissionshandel kann ein Vorbild für andere Regionen sein, Emissionen zu bepreisen und einen entsprechenden Innovationsschub voranzutreiben. Ein Blick auf die stark gestiegenen Emissionen aus fossilen Energieträgern zeigt, wie weit wir noch vom Traum der Klimaneutralität entfernt sind und dass es neben technischen Innovationen auch jeden Einzelnen und dessen bewusstes Verhalten brauchen wird, um gemeinsam einen lebenswerten Planeten für weitere Generationen zu sichern.

Erfahren Sie mehr in unserem Nachhaltigkeitsmagazin NACHHALTIG INVESTIEREN – Ausgabe 34 zum Thema CO2-Bepreisung.