Die Pandemie hat unser tägliches Leben verändert, der Klimawandel und die dafür notwendigen Maßnahmen werden das auch tun. Aber im Gegensatz zur Pandemie, deren Bedeutung hoffentlich in absehbarer Zeit schwinden wird, wird uns der Klimawandel weiterhin Sorge bereiten. Denn er ist sprichwörtlich gekommen, um (langfristig) zu bleiben.
Der im April stattgefundene Klimagipfel mit 40 Staats- und Regierungschefs, hat die Hoffnung genährt, dass auch die Entscheidungsträger an den Schalthebeln der Macht die Zeichen der Zeit erkannt haben. Priorität Nummer 1 bei diesem Klimagipfel hatte die Reduktion der CO2-Emissionen.
Globale Stromnachfrage könnte bis 2040 um 50 % ansteigen
Sieht man sich die größten Emittenten von CO2-Emissionen an, landet man unweigerlich beim Energiesektor. Dieser produziert rund zwei Drittel der gesamten verursachten Treibhausgase. Und die Bedeutung dieses Sektors wird auch in den nächsten Jahrzehnten nicht abnehmen. Im Gegenteil: Die Internationale Energieagentur IEA prognostiziert einen Anstieg der weltweiten Stromnachfrage von rund 50 % im Jahr 2040 (gegenüber 2019). Das hat nur zum Teil mit den 1,4 Milliarden Menschen zu tun, die dann zusätzlich auf unserem Planeten leben dürften. Die Stromnachfrage steigt vielmehr in allen Erdteilen, auch wenn rund zwei Drittel dieses Nachfrageanstiegs bis 2040 laut IEA aus dem asiatisch-pazifischen Raum kommen werden. In der Konsequenz bedeutet das, dass nicht nur der aktuelle Strommix „grüner“ werden muss, sondern auch die Notwendigkeit, die steigende Stromnachfrage so gut es geht mit nachhaltigem Strom zu bedienen. Dass dem auch so sein wird, daran führt kein Weg vorbei.
Mag. Hannes Loacker
Senior-Fondsmanager bei der Raiffeisen KAG

Die IEA erwartet, dass sich die Stromerzeugungskapazitäten der Erneuerbaren Energien bis 2040 nahezu verdreifachen werden. Der mit Abstand stärkste Zuwachs wird für Solarstrom prognostiziert. Die Kapazitäten sollen sich versechsfachen. Bei Windstrom wird eine Verdreifachung erwartet, während die Kapazitäten bei der Wasserkraft um „nur“ gut 35 % zunehmen sollen. Somit kommt der Sonnen- und Windenergie beim Kampf gegen den Klimawandel eine äußerst wichtige Rolle zu. Das hat, wie zu Beginn erwähnt, auch die Politik verstanden. Neben dem „Green Deal“ der EU, zweifelsfrei ein wichtiger Eckpfeiler im Kampf gegen den Klimawandel, haben sich nahezu alle Staaten einer Reduktion der CO2-Emissionen verpflichtet. So möchten die USA unter Präsident Joe Biden eine Art Vorreiterrolle in der Klimapolitik einnehmen, China wiederum strebt die Klimaneutralität bis 2060 an.
Solar- und Windbranche als große Profiteure
Es steht daher außer Frage, dass sich die Solar- und Windbranche auf einem langanhaltenden Wachstumspfad befinden. Das wiederum bietet viele attraktive und zugleich nachhaltige Investmentmöglichkeiten, um an diesem Wachstum zu partizipieren. Aber Wachstum bedeutet nicht automatisch steigende Aktienkurse. Hier gilt es sehr sorgfältig jene Unternehmen auszuwählen, die entweder eine bedeutende – wenn möglich dominante – Marktposition aufweisen und/oder dank Skaleneffekten günstiger produzieren, oder wiederum dank einer besseren Technologie höhere Margen als die Mitbewerber erzielen können. Weiters bedarf es auch einer nachvollziehbaren Wachstumsstrategie sowie einer gesunden Bilanz. Und zu guter Letzt müssen die aktuellen Börsenbewertungen durch zu erwartende Gewinnanstiege in den kommenden Jahren nicht nur gerechtfertigt werden können, sondern auch noch weiteres Kurspotenzial bieten.
Solarstrom mittlerweile mehr als wettbewerbsfähig
Im Solarbereich sehen wir gerade in einigen Bundesstaaten der USA einen regelrechten Boom nach Solarmodulen auf Eigenheimen. Die Menschen sehen darin eine Möglichkeit, ihre Abhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz deutlich zu reduzieren. Die Stromausfälle in Texas im Februar dieses Jahres haben dieses Bedürfnis nur noch weiter verstärkt. Von diesem Trend profitieren nicht nur die Hersteller von Solarmodulen, sondern auch Unternehmen, die diese Solarmodule an den Hausbesitzer verleasen (der Leasinganteil liegt hier bei 90 % in den USA).
Die Betreiber von Solarparks wiederum profitieren von deutlich sinkenden Kosten in der Stromerzeugung. Diese sind in den letzten 10 Jahren um mehr als 85 % gefallen. Der Grund für diese rasante Entwicklung liegt in einer Lernkurve von mehr als 20 % bei einer Verdoppelung der jeweiligen kumulativen Kapazitäten. Diese führt zu höheren Wirkungsgraden von Solarmodulen sowie niedrigeren Produktionskosten. Ein Ende ist hier angesichts des zu erwartenden Ausbaus der Kapazitäten nicht in Sicht. Dank dieser vorteilhaften Entwicklungen auf der Kostenseite ist Solarstrom im Vergleich zu Gas-, Kohle- oder Atomstrom in weiten Teilen der Erde bereits mehr als wettbewerbsfähig. Bei einer Solarauktion in Portugal im August 2020 erhielt der Bestbieter (in diesem Fall das Unternehmen, das den niedrigsten Preis geboten hat) den Zuschlag für den Betrieb eines Solarparks, der gerade einmal eine Vergütung von 11,2 Euro pro Megawattstunde (MWh) vorsieht. Klarerweise ist Portugal hinsichtlich Solarstrom klimatisch begünstigt, aber auch bei einem Preis von 25–30 Euro pro MWh haben die meisten Gas-, Kohle- oder Atomkraftwerke das Nachsehen. Bei einem weiteren Anstieg der CO2-Zertifikatepreise wird die Luft für Kohle, aber auch für Gas, noch enger.
Mit einer einzigen Umdrehung der Rotorblätter kann ein durchschnittliches britisches Eigenheim für mehr als zwei volle Tage mit Strom versorgt werden.
Windkraftanlagen: gigantische Dimensionen
Ähnlich verhält es sich mit Strom aus Windkraftanlagen. Auch hier sind die Kosten in den letzten Jahren sehr deutlich gefallen. Im Gegensatz zur Photovoltaik hat das aber weniger mit den fallenden Equipmentkosten zu tun als vielmehr mit der Dimensionierung der Windturbinen selbst. Immer höher, immer größer, immer leistungsfähiger lautet hier die Devise. Onshore-Windturbinen sind in klimatisch begünstigten Gebieten ebenfalls mehr als wettbewerbsfähig. Offshore-Wind profitiert zwar von höheren und konstanteren Windgeschwindigkeiten, allerdings sind die Kosten gegenüber den Windturbinen an Land aktuell noch höher, da sich zusätzliches Equipment (Transformatorstation, Kabel etc.) sowie höhere Montagekosten negativ zu Buche schlagen. Nichtsdestotrotz werden auch hier die Kosten weiter nach unten gehen. Schon die aktuellen Dimensionen sind gigantisch. Der Industrieriese General Electric wird in zwei Jahren eine 13-Megawatt-Turbine mit einer Höhe von 260 Meter und einer Rotorblätterlänge von 107 Meter auf den Markt bringen. Mit einer einzigen Umdrehung dieser Rotorblätter kann ein durchschnittliches britisches Eigenheim für mehr als zwei volle Tage mit Strom versorgt werden. Das Ende der Fahnenstange ist aber auch hier noch nicht erreicht. Vestas Wind Systems arbeitet gerade an einer 15-Megawatt-Turbine.
Im Gegensatz zur Photovoltaik ist die Akzeptanz von Wind in der Bevölkerung gerade hierzulande um einiges geringer. Im Westen Österreichs gibt es bis heute keine einzige Windkraftanlage. Beim Investieren in Windturbinenhersteller oder Windparkbetreiber fällt dieser Umstand glücklicherweise kaum ins Gewicht, da die Unternehmen selbst größtenteils global aufgestellt sind und somit aus geographischen Gesichtspunkten über ein gut diversifiziertes Portfolio verfügen. Aber auch hier bedeutet Wachstum nicht automatisch steigende Gewinne oder steigende Aktienkurse. Seit 2–3 Jahren drängen vermehrt auch einige der großen Öl- und Gaskonzerne auf den Markt und priorisieren vorerst Wachstum zu Lasten höherer Margen. Wenn die Wachstumsprognosen der IEA allerdings nur annähernd eintreffen, sollte es in den nächsten Jahren auch in der Windindustrie mehr als genügend Windkraftprojekte für alle Marktteilnehmer geben.