Klimaschutz durch Wissenschaft, Forschung und Entwicklung

Der weltpolitischen Lage in Sachen Klimapolitik entbehrt es nicht an Dramatik. Derzeit überbieten sich die Staatengemeinschaften mit ihren Reduktionszielen. Die USA wollen bis 2030 die Emissionen um 50 % zum Vergleichsjahr 2010 senken, die EU gar um 55 % zum Vergleichsjahr 1990. Mitte des Jahrhunderts wollen beide komplett klimaneutral sein. Und die Wissenschaft wird nicht müde, Drohszenarien auszumalen. Grönlands Eisschild droht zu kippen, warnt sie. Der kritische Übergang rückt näher, wo das Abtauen des Eises nicht mehr zu stoppen sein wird. Der Meeresspiegel könnte mehr als sieben Meter ansteigen. Und das ist nicht die einzige Bedrohung. Alle Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft werden trotz des rechtsverbindlichen Pariser Klimaabkommens nicht reichen. Denn die Maßnahmen treten nur langsam in Kraft: der European Green Deal mit seinen gut zehn Unterstrategien, der Emissionshandel, die Maßnahmen der Nationalstaaten. Vieles hat noch immer keine Rechtsverbindlichkeit. Und so müssen freiwillige Akteure, Private und die Wirtschaft, den Klimaschutz in die Hand nehmen. Und das tun sie auch. Viele freiwillige CO2-Kompensationsbemühungen versuchen uns zeitgerecht in die postfossile Epoche zu hieven.

Dr. Alfred Strigl
GF Plenum GmbH und Direktor Österreichisches Institut für Nachhaltige Entwicklung

Auf dem freiwilligen CO2-Markt, als voluntary carbon offsetting bezeichnet, wer den jährlich steigende Tonnagen an CO2e gehandelt. Damit steigt auch die Zahl notwendiger Klimaschutzprojekte, deren Qualität auch stimmen muss. Es gilt die grundsätzliche Regel: Erstens soll wo immer möglich CO2 durch Einsparungen reduziert werden, beispielsweise durch Nutzung alternativer Energiequellen. Und zweitens erst dann die unbedingt notwendigen anfallenden CO2-Emissionen über kluge und zukunftsweisende Maßnahmen kompensiert werden.

Die BOKU Kompetenzstelle für Klimaneutralität hilft Unternehmen und Privatpersonen, ihre Treibhausgasemissionen durch BOKU-eigene Klimaschutzprojekte zu kompensieren. Indem neue Klimaschutzprojekte durch Kompensationsgelder finanziert werden, wird zusätzlich CO2 vermieden oder etwa durch Aufforstung oder Schutz bedrohter Waldflächen zusätzlich CO2 gebunden. Ziel ist es, Pilot-Klimaschutzprojekte in least developed countries mit umfassendem nachhaltigen Nutzen (sozial, ökologisch und ökonomisch) umzusetzen. Der Preis für eine Tonne CO2e basiert auf den Projektentwicklungskosten und orientiert sich an internationalen Maßstäben. Die Vergabe für BOKU-Klimaschutzprojekte wird durch einen wissenschaftlichen Beirat kontrolliert, der sich aus Vertreterinnen und Vertretern der BOKU sowie aus externen Expertinnen und Experten der österreichischen Entwicklungsbank, der Austrian Development Agency (ADA), des Ministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus sowie den NGOs Caritas und Greenpeace zusammensetzt. Die BOKU-Klimaschutzprojekte müssen exakt quantifizierbare CO2-Vermeidung oder zusätzliche Bindung von CO2-Emissionen sicherstellen. Zudem sollen sie Biodiversitätsschutz und weitere positive Umwelteffekte wie z. B. Boden-, Wald- und Gewässerschutz sowie positive sozioökonomische Effekte fördern. Derzeit betreut das BOKU-Kompensationssystem sieben laufende Projekte u. a. in Äthiopien, Costa Rica, Nepal, Uganda und in Kolumbien; dieses wird hier kurz vorgestellt.

Die BOKU Kompetenzstelle für Klimaneutralität

An der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) sind die Menschen überzeugt, dass Wissenschaft und Forschung im Dienst des Lebens stehen. Die Alma Mater Viridis, wie sich die BOKU in lateinischer Kurzformel bezeichnet, die grüne Nährmutter, setzt sich seit Jahren aktiv für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung ein. Als weltweit erste Universität erarbeitete die BOKU seit 2012 eigene Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte in Afrika, Asien und Lateinamerika. Und diese Projekte tragen massiv zu den unterschiedlichen Aspekten der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) bei. Finanziert werden die Klimaschutz- und Entwicklungsprojekte durch Spenden von Privatpersonen, Lehrpersonal von Universitäten sowie von Unternehmen, die ihren CO2-Ausstoß freiwillig kompensieren möchten. Das sorgt für ein gutes Gewissen sowohl auf Seiten der CO2-Verursachenden, denn schon die klimaneutralisierte Flugreise zum internationalen Meeting wird zur sinnstiftenden Tat, als auch auf Seiten der Projektnehmenden, die durch die Kompensationszahlungen finanzielle Mittel in die Hand bekommen, um wichtige Entwicklungsmaßnahmen zu tätigen. Dadurch entsteht eine Win-win-Situation für alle Beteiligten, die unter anderem als Vorzeigeprojekt beim „Arnold Schwarzenegger“-R20-Gipfel 2019 in Wien ausgezeichnet wurde.

Las Mercedes – Regenwaldschutzgebiet und Agroforstwirtschaft in Kolumbien

Im Zentralgebiet Kolumbiens, zwischen Bogotá und Medellín, stellt „Las Mercedes – Reserva Natural de las Aguas“ ein akut durch Abholzung bedrohtes Regenwaldgebiet unter Schutz. Im Mittelpunkt steht der Schutz von rund 8.000 ha primärer Regenwaldfläche, die als wichtige Grünoase zum Schutz von vier großen Wasserquellen lokaler Flüsse dient. Weiters werden die bereits bestehende Landwirtschaft in eine silvopastorale Rotationsweidewirtschaft übergeführt und Nutzpflanzen mit höherem Ertrag wie Kaffee und Kakao im Stil eines Agroforstes erprobt. Dieses Projekt zeichnet sich zudem durch die intensive Kooperation mit dem Kunstprojekt „ArtEmbassy“ aus, die vor allem die lokale und überregionale Kommunikation und Bewusstseinsbildung stärken soll.

 

Ausblick: Freiwilliger Kompensationsmarkt für ein CO2-neutrales Europa

In einer humanistisch aufgeklärten Gesellschaft gilt der Grundsatz, dass eigenverantwortliches und freiwilliges Handeln immer besser ist als Zwang und Strafe. Aktiv gelebte Eigenverantwortung setzt aber dringend Bewusstsein, Erkenntnis und Freiwilligkeit voraus. Für den Klimaschutz spielt es letztlich keine Rolle, wo und wie auf der Erde klimabelastende Emissionen in die Atmosphäre gelangen respektive wo sie reduziert und CO2 wieder aktiv in Biomasse rückgebunden werden. Wichtig ist nur, dass die Treibhausgasemissionen weltweit in der Summe abnehmen – und das dringend und massiv. Die Lücke zwischen dem, was staatlich verbindlich zugesagte Klimaschutzmaßnahmen einsparen, und dem Erreichen des Zwei-Grad-Ziels ist dramatisch. Dreimal so große Anstrengungen wären notwendig, um die Erderwärmung halbwegs zu minimieren. Das Beispiel des BOKU-Kompensationssystems darf und muss weltweit Schule machen.

Raiffeisen Capital Management ist eines der Unternehmen, das über das BOKU-System CO2-Emissionen kompensiert. Die Projekte der BOKU werden transparent auf der eigenen Website veröffentlicht: https://xn--klimaneutralitt-elb.boku.ac.at/