Wir haben’s in der Hand – eine smarte grüne Welt
Digitalisierung verändert unser Leben grundlegend. Neben einer Effizienzsteigerung von Prozessen bringt der technologische Wandel vielen Menschen Vernetzung, Flexibilität, bessere medizinische Versorgung, höhere Convenience und mehr Wohlstand. Aber natürlich gibt es auch eine Schattenseite: Hoher Energiebedarf, mangelhafte Datensicherheit und Arbeitsplatzverlust sind einige Bespiele dafür. Digitalisierung bringt jedoch auch ein enormes Potenzial für Umwelt- und Klimaschutz.
Und genau diesem Potenzial widmete sich das zweite Nachhaltigkeitssymposium von Raiffeisen Capital Management, das am 12. und 13. November 2020 Corona-bedingt als digitaler Event stattgefunden hat. Zielgruppe des Symposiums: die mehr als 530 Absolventinnen und Absolventen der ÖGUT-Ausbildung zur zertifizierten Beraterin bzw. zertifizierten Berater für nachhaltige Geldanlagen.
Das digitale Format tat der hochkarätigen Besetzung keinen Abbruch. Den Start machte am ersten Halbtag – nach einer kurzen Begrüßung von Rainer Schnabl, dem CEO von Raiffeisen Capital Management – Robert Rossellen, Mitglied der Geschäftsführung von Microsoft Österreich.

Bis 2050 möchte Microsoft den gesamten ökologischen Fußabdruck, den man seit der Gründung im Jahr 1975 verursacht habe, neutralisieren.
Covid-19 habe die Beschleunigung der Digitalisierung enorm angekurbelt. Technologie habe geholfen, dass man ganz gut durch die Zeit gekommen sei. Microsoft sei schon lange mehr als „Windows“ und „Office“. Mittlerweile würden Cloud-Lösungen, künstliche Intelligenz und kundenspezifische Software eine enorm wichtige Rolle spielen und sich im Sinne ökologischer Aspekte nutzen lassen. Nachhaltigkeit sei eine Agenda, die Microsoft seit zehn Jahren verfolge. Der enorme Energiebedarf von Rechenzentren sei dabei natürlich ein Thema und es gäbe Handlungsbedarf. Bis 2050 möchte Microsoft den gesamten ökologischen Fußabdruck, den man seit der Gründung im Jahr 1975 verursacht habe, neutralisieren. Das bedeute, dass man CO2 aus der Umwelt herausnehmen müsse. Diesbezüglich sei Microsoft mit vielen Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Kontakt. Das alles sei aber nicht nur ein rein altruistisches Anliegen, der Bereich böte auch enorme ökonomische Möglichkeiten. „Tue Gutes und nutze die Geschäftschancen“ so Rossellen.
Bemühungen, die auch seitens der Investoren honoriert werden. Wolfgang Pinner, Leiter Nachhaltige Investments bei Raiffeisen Capital Management, stellt dem Unternehmen ein gutes Zeugnis aus und anerkennt die Bestrebungen von Microsoft.

Vor allem der Aspekt des Enablings, also der Befähigung von Menschen, das Ermöglichen von Bildung, gefällt dem Nachhaltigkeitsexperten sehr gut und spricht dabei das SDG 4, also das Nachhaltigkeitsziel Bildung der Vereinten Nationen, an. Der hohe Stromverbrauch u. a. für die Kühlung der Datencenter sei natürlich kritisch zu betrachten, doch mache Microsoft im Gegenzug sehr viel für Umwelt und Gesellschaft und wolle bis 2030 CO2-neutral sein.
Für Steffen Lange vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin und Autor mehrerer Bücher zum Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit, braucht es für die notwendige ökologische Transformation substanzielle Veränderung. Das heißt, eine Wirtschaft, die klimaneutral organisiert ist.

Dazu wären zwei parallele Strategien wichtig, so Lange. Einerseits eine ökologische Strategie mit Kreislaufwirtschaft und erneuerbarer Energie, und andererseits eine Suffizienzstrategie, was bedeute, anders und auch weniger zu konsumieren, speziell im globalen Norden, also in entwickelten Ländern wie Deutschland, den USA und natürlich auch Österreich. Dabei gehe es darum den Verkehr zu reduzieren, weniger Fleisch und Milchprodukte zu essen und auf schnell und billig produzierte Kleidung und Elektrogeräte zu verzichten. „Aus ökologischer Sicht Großbaustellen“, so Lange. Digitalisierung sei global betrachtet für 2–3 % des CO2-Ausstoßes verantwortlich, das sei in etwa der Wert, den der Flugverkehr verursache. Dieser werde aber weltweit von einer kleinen Minderheit verursacht, während das Internet immerhin von sehr vielen genutzt würde. Die Besteuerung von CO2 wäre aus Sicht Langes nicht nur wünschenswert, „sondern extrem notwendig. Es gibt Debatten auf politischer Seite dazu, doch es passiert aus ökologischer Sicht überhaupt nicht genug.“
Die Generali-Arena sei das einzige Fußballstadion Mitteleuropas, das ÖGNI-zertifiziert sei und nach diesen Kriterien weiterentwickelt wurde.
Dass Nachhaltigkeit auch im Sport und bei Sportveranstaltungen eine zunehmend wichtige Rolle spielt, erfuhr man aus den Ausführungen von Markus Kraetschmer, Vorstandsvorsitzender des FK Austria Wien.

Nachhaltigkeit sei bei der Austria Wien kein nettes Etikett, sondern passiere aus wirklicher Überzeugung. Seit 2015 würden die Maßnahmen dazu in einem Nachhaltigkeitsbericht festgehalten. Unter dem Leitsatz „Violett ist mehr“ engagiere sich der Fußballklub für Umwelt, Gesellschaft sowie Toleranz und Fairness. Die Generali-Arena sei das einzige Fußballstadion Mitteleuropas, das ÖGNI-zertifiziert sei und nach diesen Kriterien weiterentwickelt wurde. Es gäbe eine Photovoltaik-Anlage und über die Dächer fließe das Regenwasser in Zisternen und werde für die Bewässerung der Sport- und Trainingsplätze genutzt. Man verwende Fernwärme und hätte ein Abfallwirtschaftskonzept, das u. a. auch ein Becherpfand inkludiere.
Darüber hinaus habe man vor einigen Jahren den „Mathias-Sindelar-Fonds“ ins Leben gerufen, über den Mittel für soziale Projekte gesammelt würden. Hier hätte man schon einigen jungen Fußballfans im Kampf gegen gesundheitliche Einschränkungen finanziell unter die Arme greifen können und Herzenswünsche erfüllt. Man unterstütze auch andere soziale Projekte – beispielsweise der Caritas – und wolle die Strahlkraft des Klubs und der Kampfspieler, die sich vielfach als Testimonials in den Dienst einer guten Sache stellten, positiv wirken lassen. Mit den „Special Violetts“ – im Verein organisierte Fußballspielerinnen und -spieler mit besonderen Bedürfnissen – schaffe man die Möglichkeit der Inklusion und gebe ihnen die Chance, an internationalen Turnieren teilzunehmen. Der Verein sei außerdem Mitglied eines UNESCO-Projekts, das weltweit in Entwicklungsgebieten Trainerinnen und Trainer ausbilde und so den Fußball und die Begeisterung dafür in diese Regionen trage. Die Austria Wien stehe für die integrative Kraft des Fußballs und lebe mit 39 Nationen und allen Weltreligionen, die im Verein vertreten seien, Toleranz und Fairness.
Den Abschluss des ersten Halbtages bildete eine Grußbotschaft von Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Sie bedankte sich darin bei den Absolventinnen und Absolventen des Weiterbildungslehrgangs „Zertifizierte/r Berater/in für nachhaltige Geldanlagen“ der ÖGUT (Gesellschaft für Umwelt und Technik) ausdrücklich für ihren Einsatz, das Thema Sustainable Finance voranzutreiben.
Nur 2 % des produzierten Plastiks werde über Kreislaufwirtschaft als gleiches Produkt wiederhergestellt.
Der zweite Halbtag des Symposiums wurde von Roman Postl, Leiter der Business Unit East Central Europe bei TOMRA eröffnet.

Tomra sei ein Technologieunternehmen, das sich der Umwelt verschrieben habe. Was als norwegischer Familienbetrieb von zwei Brüdern begonnen habe, die an einem Leergut-Automaten herumgebastelt haben, sei heute ein Unternehmen mit 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geworden, das auf 60 Märkten aktiv sei und 1 Milliarde Euro Umsatz jährlich generiere. „Wir sortieren aber nicht nur Flaschen, sondern auch Lebensmittel und sind im Recycling aktiv. Auf großen Sortierstrecken mit 360-Grad-Scannern, die mit sechs Kameras Bilder an den Prozessor senden, können wir nicht nur Leergüter, sondern jedes andere Objekt sortieren und sammeln“, so Postl. Und das tut Tomra auch. Beispielsweise im Food-Bereich. Dort würden auf großen Förderbändern Äpfel, Tomaten oder Kartoffeln sortiert. Über Sensoren ließen sich schöne Kartoffeln für den Verkauf von weniger schöne für die Weiterverwertung z. B. für Pommes Frites oder Kartoffelsalat erkennen. Dadurch müssten keine Lebensmittel vergeudet werden. Auch Abfall lasse sich mit der Technologie von Tomra sortieren. Die Sensoren würden unterschiedliche Rohstoffe erkennen. So ließen sich diese zu artgleichen Rohstoffen dazu sortieren. Am Ende des Tages könnten ganze Abfallsäcke zu 100 % sortiert werden. Roman Postl sieht in der Kreislaufwirtschaft und der Digitalisierung die meisten Chancen für den Umweltschutz. Derzeit würden jährlich 80 Millionen Tonnen Plastik produziert. 30 % davon gingen direkt in unsere Meere, Wälder und Felder. 40 % würden auf kontrollierte Deponien gebracht und 14 % verbrannt. Nur 2 % des produzierten Plastiks werde über Kreislaufwirtschaft als gleiches Produkt wiederhergestellt. Kreislaufwirtschaft hätte enormes Potenzial und würde mittlerweile auch seitens der EU forciert. Digitalisierung würde in Zusammenhang mit der Steuerung der Automaten eine große Rolle spielen, aber auch bei der Analyse von Kundengewohnheiten.
Das Thema Recycling spielt auch für Georgi Lossmann-Iliev, Leiter magdas RECYCLING, eine entscheidende Rolle. Das Unternehmen – eine 100 % Tochter der Caritas – sortiert die Handys und Ladegeräte, die über die Aktion „Ö3-Wundertüte“ gesammelt werden.

Georgi Lossmann-Iliev bezeichnet sein Geschäftsfeld als Social Business. „Das bedeutet einerseits, die wirtschaftliche Selbsttragfähigkeit und auf der anderen Seite, Menschen eine Chance zum Arbeiten geben und somit die partielle Lösung einer gesellschaftlichen Herausforderung“, so Lossmann- Iliev. „Wir glauben, dass jeder Mensch gute Arbeit leisten kann und geben unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Zukunftsperspektive, die es bei anderen Unternehmen schwer haben, eine Chance zu bekommen. Diese Menschen sind bei uns richtig.“ magdas beschäftigt mittlerweile rund 250 Mitarbeitende. Neben dem Bereich Recycling, wo die Ö3-Wundertüten sortiert werden, führt magdas auch eine Großküche, ein Hotel und eine Reinigung. Sortiert werden Handys und Ladegeräte, wobei ein Teil der Wiederverwendung – über spezialisierte Großhändler – zugeführt werden und ein Teil fürs Recycling aufbereitet wird. Pro Jahr werden auch rund zehn Tonnen Ladekabel separat gesammelt. Sie werden an einen Verwertungspartner übergeben, der die Kupferdrähte in den Kabeln zu Pellets verwertet. Was die Handys betrifft, so wird hier die Strategie „Reuse vor Recycling“ gefahren. Geräte, die nicht wiederverwendet werden können, werden schadstoffentfrachtet. Die Akkus werden entfernt und der Rest wird an zertifizierte Recycling-Betriebe verkauft, die die Wertstoffe Kupfer, Gold, Silber, Platin aber auch die sogenannten Gewürzmetalle aus den Geräten herauslösen. Diese Metalle werden wieder dem Markt zugeführt. Georgi Lossmann-Iliev dazu: „Erste Pflicht ist es, Abfall zu vermeiden. Wenn das nicht geht, dann alles an die Wiederverwendung setzen und was übrig bleibt, zu recyclen. Bei uns gehen 60 % der Handys in den Re-Use und 40 % ins Recycling. Im Schnitt können wir nach Abzug aller Kosten eine Spende von 1 bis 1,5 Euro pro abgegebenem Handy weitergeben. 50 % der Spenden gehen an Licht ins Dunkel und 50 % an den Soforthilfefonds der Caritas“.
Im vergangenen Jahr haben wir in einem gemeinsamen Projekt mit der Universität für Bodenkultur erstmals den eigenen CO2-Footprint ermittelt und ausgeglichen.
Die Finanzwirtschaftskrise habe die entscheidende Wende für die Raiffeisen KAG gebracht, schildert Geschäftsführer Dieter Aigner den Beginn des Unternehmens auf dem Weg zu einer nachhaltigen Fondsgesellschaft. „Wir haben gesehen, dass Kundinnen und Kunden nicht mehr ausschließlich die Rendite im Blickfeld hatten, sondern sie auch wissen wollten, was mit dem Geld passiert und ob es sicher veranlagt ist. Was als zartes Pflänzchen begonnen hat, hat sich in den letzten Jahren zu einem umfassenden Angebot an nachhaltigen Fondsprodukten ausgewachsen.“

In den letzten Jahren sei es gelungen, Raiffeisen Capital Management nicht nur in Österreich, sondern auch auf internationalem Boden – insbesondere in Italien und Deutschland – als glaubwürdigen und bedeutenden Player bei nachhaltigen Investments zu etablieren. Gemeinsam mit den Netzwerkbanken der Raiffeisen Bank International (RBI) wolle man verantwortungsvolles Anlegen nun auch in Zentral- und Osteuropa konsequent vorantreiben und dieses Segment besetzen. „Parallel dazu arbeiten wir in Wien mit vollem Einsatz daran, unser Produktangebot noch stärker in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren, denn mittelfristig möchten wir die ESG-Kriterien in sämtliche Investmentstrategien integrieren“, so Dieter Aigner. Was Raiffeisen Capital Management von den Emittenten erwarte, in die investiert werde, wolle man auch selbst umsetzen. „Daher ist es uns ein großes Anliegen, unseren eigenen CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Im vergangenen Jahr haben wir in einem gemeinsamen Projekt mit der Universität für Bodenkultur erstmals den eigenen CO2-Footprint ermittelt und ausgeglichen. Die Ausgleichszahlungen kommen einem Klimaschutzprojekt in Kolumbien zugute. Auf gesellschaftlicher Ebene engagieren wir uns – u.a. im Rahmen von Corporate Volunteering – auf dem e.motion Lichtblickhof“, so Aigner.

Daniela-Uhlik-Kliemstein, Leiterin Zentrale Bankenbetreuung bei Raiffeisen Capital Management hat im Rahmen eines Besuches von „gugler*print“, der weltweit ersten Druckerei, die Cradle to Cradle-zertifizierte Produkte herstellt, Ernst Gugler, den Eigentümer und Geschäftsführer gefragt, wie sich Kreislaufwirtschaft in einer Druckerei umsetzen lässt. Die Antwort kurz zusammengefasst: Konsequent am Thema dranbleiben, den strengen Anforderungen selbst gerecht werden und das auch von Lieferanten einfordern und darauf zählen, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Herz und Seele dabei sind. Die Digitalisierung sei ein Segen, denn um Kreislaufwirtschaft umsetzen zu können, müsse man Abläufe digitalisieren, nur so ließen sich komplexe Prozessketten nachverfolgen, so Gugler.
Ein weiteres positives Beispiel wie sich Nachhaltigkeit in eine Unternehmensstrategie einbauen lässt, liefert die Raiffeisenbank Gunskirchen. Kristina Proksch, die Leiterin des Umweltcenters in der oberösterreichischen Bank, gewährt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Symposiums einen Einblick, wie eine „Grüne Bank“ funktionieren kann:

Wir wollten unseren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit bieten, selbst zu bestimmen, wohin ihr Geld fließt und woher die Zinsen auf ihrem Umwelt-Sparkonto oder Umwelt-Girokonto stammen. Mit dem Konzept der grünen Bank, hätte man einen Beitrag für Umwelt und Gemeinwohl leisten wollen. „Bei uns geht es nicht um rücksichtslose Gewinnmaximierung“, so Proksch. Für die Gewährleistung, dass das Geld auch zweckgebunden eingesetzt würde, gäbe es externe Wirtschaftsprüfer und einen Umweltbeirat, die genau darauf schauten, dass alles im Sinne der nachhaltig orientierten Kundinnen und Kunden abgewickelt werde. „Transparenz ist das höchste Gut bei diesem Geschäftsmodell“, so Proksch. Die Raiffeisenbank Gunskirchen sei als erste Bank in Österreich mit dem österreichischen Umweltzeichen für ihre nachhaltigen Spareinlagen ausgezeichnet worden.
Das Symposium hat den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Einblick gewährt, was unternehmerisches Engagement im Zusammenspiel mit Digitalisierungen möglich macht. Davon profitieren nicht nur Umwelt und Gesellschaft, sondern auch die Anlegerinnen und Anlegern, die in diese Unternehmen investieren.