Den Spruch „Kleider machen Leute“ findet man angeblich schon in Erzählungen aus dem 16. Jahrhundert und noch heute drückt er aus, dass die Wirkung einer Person nach außen (auch) von ihrer Kleidung abhängt. Das richtige Kleid, den richtigen Anzug oder das richtige Paar Schuhe zum bestimmten Anlass zu finden, war also damals wie heute von höchster Priorität. Bei Konsumentinnen und Konsumenten heißt es aber speziell in der jetzigen Zeit immer öfter, lieber eine Auswahlmöglichkeit zu viel zu haben als eine zu wenig. Die Modelabels freuen sich, die Umwelt weniger.
Andreas Perauer, MSc
Mitarbeiter des Nachhaltigkeitsteams bei der Raiffeisen KAG

Die Engagement-Aktivitäten des Nachhaltigkeitsteams von Raiffeisen Capital Management beim Thema Fast Fashion beinhalten den Dialog mit einigen der größten börsennotierten Unternehmen der Textilbranche. Dabei wurden folgende Fragen beantwortet:
In den letzten zehn Jahren haben wir einen Trend in Richtung Fast Fashion erlebt. Wie hat sich dieser Trend auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?
Einen wesentlichen Beitrag in Richtung einer beschleunigten Modewelt hat mit Sicherheit die teilweise Digitalisierung der Branche geleistet. Das bestätigen sowohl der schwedische Moderiese Hennes & Mauritz, kurz H&M, als auch der deutsche Bekleidungshersteller HUGO BOSS. Dieser berichtet, dass rund ein Drittel der Entwürfe der HUGO-BOSS-Kollektionen mittlerweile vollständig digitalisiert entwickelt wird. Die selbst entwickelten elektronischen Arbeitsprozesse ermöglichen eine größere Flexibilität in der gesamten Wertschöpfungskette, was kürzere Markteinführungszeiten und schnellere Reaktionen auf Verbrauchertrends ermöglicht. Darüber hinaus kann die Gruppe den Bedürfnissen der Handelspartner nach geringeren Kosten mit größerer Anpassungsfähigkeit Rechnung tragen, zum Beispiel durch eine Reduzierung der Musterkosten oder zusätzliche Optionen bei der Kombination von Schnitten und Stoffen. Der französische Modekonzern Kering sieht sich mit Marken wie Gucci, Saint Laurent oder Balenciaga nicht als Teil der Fast-Fashion-Industrie. Ganz im Gegenteil, anhand strenger Qualitätskontrollen sowie strategischen und handwerklichen Fachwissens soll die Haltbarkeit und damit auch die Langlebigkeit der Produkte gewährleistet werden. Ebenso betrachtet der Sportartikelhersteller Nike seine Bekleidung nicht als schnelllebig, sondern als Produkte, die durch Innovation und Qualität langfristigen Wert erzielen sollen.
Der ökologische Fußabdruck der Modeindustrie ist enorm. Schlüsselthemen sind Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch und Abfallproduktion. Wie sieht Ihre Strategie zur Bewältigung des wachsenden Fußabdrucks aus?
Next, mit über 400 Geschäften eines der größten britischen Einzelhandelsunternehmen im Bekleidungssektor, sieht den Klimawandel weiterhin als eine der größten globalen Herausforderungen für die Gesellschaft und handelt auch dementsprechend. Seit 2012 hat das Unternehmen seinen Wasser-Fußabdruck um 43 % und den Kohlenstoff-Fußabdruck um 25 % pro verkaufter Tonne Bekleidung reduzieren können, indem die Beschaffung auf nachhaltigere und recycelte Fasern wie Better Cotton, Bio-Baumwolle und recyceltes Polyester umgestellt wurde. Darüber hinaus wurden Färbetechniken eingesetzt, die sowohl weniger Energie als auch weniger Wasser verbrauchen. Eine ähnliche Strategie verfolgt Nike. Auch dort liegt der Fokus auf der Verwendung von recycelten Materialien, insbesondere Polyester und nachhaltiger Baumwolle. Seit 2010 konnten über 7,5 Milliarden Plastikflaschen von Mülldeponien und Wasserstraßen abgeleitet und in recycelte Polyesterschuhe und -kleidungsstücke umgewandelt werden. Bereits drei Viertel der Schuh- und Kleidungsprodukte der Marke Nike bestehen zu einem Anteil aus recycelten Materialien, vom Obermaterial von Schuhen bis zu ganzen Trikots. Die Umstellung hin zu nachhaltiger Baumwolle führte zudem zu einer Einsparung von 53,5 Milliarden Liter Wasser sowie zu einer Reduzierung des Pestizideinsatzes um 200 Tonnen. H&M sieht vor allem in der Verwendung von nachhaltiger Baumwolle ein unausgeschöpftes Potenzial. Derzeit wird aufgrund der geringeren Produktivität nur weniger als 1 % der globalen Baumwolle biologisch angebaut. H&M möchte diese Tatsache ändern und arbeitet dazu beispielsweise in Kooperation mit der Organisation Organic Cotton Accelerator (OCA), zu deren Gründungsmitgliedern H&M selbst zählt, mit indischen Bauern zusammen, um Ausbildung, Zugang zu Saatgut, Prämienpreise und vor allem einen garantierten Verkauf der Bio-Ernte zu ermöglichen. Weiters zählt H&M zu den wichtigsten Unterstützern der 2030 Water Resources Group, einer von der Weltbank initiierten Partnerschaft zur Erhaltung der Grundwasserreserven im Großraum Dhaka in Bangladesch. Ein Blick nach Asien zeigt schließlich, dass Fast Retailing, eine japanische Unternehmensgruppe, die vor allem durch das Tochterunternehmen Uniqlo zu den größten Bekleidungseinzelhändlern Japans zählt, zur Reduktion der Treibhausgasemissionen auf neue Technologien in den Geschäften und Büros sowie auf den Einsatz von erneuerbarer Energie setzt. Seit 2013 konnte so eine Reduktion von knapp einem Drittel der Emissionen der Uniqlo-Stores erreicht werden.
Wir sehen, dass sowohl das Bewusstsein der Verbraucher als auch das der Investoren für die Umweltauswirkungen der Modeindustrie rapide zunimmt, wodurch ein finanzielles Risiko für die Unternehmen entsteht. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Gibt es in der Branche Initiativen, um diesem Risiko entgegenzutreten?
Die kontaktierten Unternehmen sind sich des zunehmenden Bewusstseins und Interesses von Investoren und Kunden hinsichtlich der Umweltauswirkungen der Geschäftstätigkeiten durchaus bewusst. Laut HUGO BOSS drückt sich das vor allem in einer wachsenden Anzahl an diesbezüglichen Anfragen sowie einer erhöhten Nachfrage nach der „Responsible“-Produktlinie aus, also nach Artikeln mit mindestens 60 % zertifiziert nachhaltigeren Rohmaterialien. Gemeinsame Initiativen spielen nach HUGO BOSS deshalb eine wichtige Rolle, da es für einzelne Firmen in vielen Fällen sehr komplex ist, direkt mit Rohstofflieferanten zusammenzuarbeiten. So wird beispielsweise durch die Better-Cotton-Initiative eine große Zahl von Baumwollbauern direkt erreicht und damit die nachhaltige Produktion von Baumwolle gefördert. Eine weitere nennenswerte Initiative ist der unmittelbar vor dem G7-Gipfel im Jahr 2019 enthüllte „Fashion Pact“, eine Koalition von Modehäusern zum Schutz des Klimas, der Biodiversität und der Weltmeere. Die Initiative enthält eine Reihe gemeinsamer Ziele und stellt angesichts des Umfangs und der Bedeutung der geschaffenen Koalition einen historischen Schritt für den Modesektor dar. Zu den Zielen gehören unter anderem die Verwendung von 100 % erneuerbarer Energie an den eigenen Standorten, die ganzheitliche Eliminierung von problematischem Kunststoff, die Verwendung von recyceltem Kunststoff für Verpackungen sowie der Stopp der Entwaldung bzw. die Förderung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Ein Jahr nach Veröffentlichung verzeichnet das Übereinkommen bereits über 60 Unterzeichner, die zusammen über 200 Marken und ein Drittel der Modeindustrie repräsentieren.
Erfahren Sie mehr in unserem Nachhaltigkeitsmagazin NACHHALTIG INVESTIEREN – Ausgabe 30 zum Thema Fast Fashion.