Zu den Engagement-Aktivitäten des Fondsmanagements von Raiffeisen Capital Management zum Thema Geschlechtergerechtigkeit gehört auch der Dialog mit einigen der größten und für uns interessantesten börsennotierten Unternehmen in diesem Bereich. Wir haben insgesamt mehr als 60 Gesellschaften aus unterschiedlichen Branchen kontaktiert, haben uns aber in der Betrachtung der Antworten auf Unternehmen aus dem Finanzsektor konzentriert, der immer noch vorwiegend männlich dominiert ist. Dabei wurden unter anderem folgende Fragen beantwortet:
Herbert Perus
Corporate Responsibility bei der Raiffeisen KAG

Wie wichtig ist für Sie Geschlechtergerechtigkeit und welchen Wert bringt sie konkret für Ihr Unternehmen?
(National Bank of Canada)
Geschlechtergerechtigkeit wirkt sich nicht nur in Form eines spürbar positiveren Arbeitsklimas und gerechter verteilter Chancen innerhalb des Unternehmens aus, sondern auch auf die fundamentale Ausstattung von Unternehmen. So bestätigen zahlreiche Finanz- und Bilanzkennzahlen den positiven Beitrag einer durch Diversität geprägten Gesellschaft auf deren Geschäftserfolg.
Ausnahmslos alle kontaktierten Unternehmen bekennen sich zu Offenheit bezüglich Geschlechtergerechtigkeit und finden diese fördernswert.
Die National Bank of Canada ist überzeugt, dass ein kulturell vielfältiges und in der Geschlechterverteilung gerecht aufgestelltes Unternehmen insgesamt stärker und innovativer ist. Für das Unternehmen ist diese Vielfalt ein grundlegender Wert, der sein gesamtes Handeln bestimmt. Das wird in der Bank beispielsweise durch Dreijahrespläne für die Integration von mehr weiblichem Personal, und das auf allen Ebenen, umgesetzt.
Ist Ihre allgemeine Geschäfts- und Markenstrategie auf die Gleichstellung der Geschlechter ausgerichtet (z. B. beim Thema der sogenannten Pink Tax)?
(Yuanta, Moneta)
Geschlechtergerechtigkeit ist sowohl für die Geschäftspraxis innerhalb der internen Unternehmensprozesse als auch für die nach außen sicht- und greifbare Produktsparte des jeweiligen Unternehmens erstrebenswert. Um Gleichberechtigung im Geschäftsalltag zu garantieren, sind unternehmensweite Grundsätze von essenzieller Bedeutung.
Für die taiwanesische Investment Bank Yuanta sind die Grundsätze der Chancengleichheit, wie vor allem gleicher Lohn für gleiche Arbeit, zentrale Bausteine in ihrer Unternehmenskultur. Außerdem verfolgt das Unternehmen generell eine Nulltoleranz-Politik gegenüber Geschlechterdiskriminierung.
Die wohl bekanntesten Beispiele einer Pink Tax kommen aus dem Bereich der Hygieneartikel, dabei vor allem bei Produkten mit einer ausschließlich weiblichen Zielgruppe. Diese Artikel sind oft signifikant teurer als ähnliche oder teilweise sogar idente Artikel für Männer. Uns hat sich die Frage gestellt, ob es auch in der Finanzbranche vergleichbare und ungerechte Geschäftspraktiken gibt, durch die Frauen und Männer unterschiedlich behandelt werden. Offensichtlich ist das da und dort sehr wohl der Fall.
Die tschechische Bank Moneta arbeitet aktiv gegen den Effekt dieser Pink Tax durch die aktive Bereitstellung von Krediten ausschließlich für Unternehmerinnen. So fördert die Bank die Verwirklichung von ambitionierten Zielen von Frauen, indem sie die Zinssätze attraktiv gestaltet. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem europäischen Investitionsfonds im Rahmen des EaSI-Bürgschaftsprogramms für Beschäftigung und soziale Innovation umgesetzt.
Was sind die objektiven Prozesse/Systeme/Richtlinien, die Sie eingeführt haben, um unbewusste Vorurteile in Ihrem Unternehmen zu überwinden (vor allem, wenn es um Neueinstellungen und die Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht)? Überwachen Sie den Gender-Pay-Gap in Ihrem Unternehmen?
(Yapi Kredi, Akbank)
Um ein gerechtes Arbeitsumfeld zu schaffen, braucht es natürlich konkrete und nachvollziehbare Maßnahmen. Dafür bestehen bei Unternehmen die unterschiedlichsten Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen. Die türkische Bank Yapi Kredi hat verschiedenste Schulungs- und Beratungsprogramme für seine Beschäftigten ausgearbeitet, um ein integratives Arbeitsumfeld zu schaffen. Dieses Programm beinhaltet fünf Hauptthemen, nämlich Gleichberechtigung im Wissen, in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz, in der Sprache und der Menschen. Die in diesem Rahmen vorbereiteten Schulungen wurden an mehr als 16.000 Mitarbeitende vergeben.
Für das ebenfalls türkische Unternehmen Akbank sind Kompetenz und Qualifikation für eine Anstellung die wichtigsten Kriterien. Deswegen werden Frauen bei einem Bewerbungsgespräch nicht nach ihrer Familienplanung gefragt, um eine neutrale Bewertung im Bewerbungsprozess zu garantieren. Außerdem wird Mitarbeiterinnen nach einer Babypause eine Rückkehr mit denselben Konditionen und Aufgabenfeldern wie vor der Karenz zugesichert.
Die wohl bekannteste Art der Messung der Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist der Gender-Pay-Gap. Das Unternehmen Akbank ist durch detaillierte interne Datenanalyse bestrebt, den immer noch bestehenden Unterschied in der Bezahlung so bald wie möglich zu beheben. Wir werden die Fortschritte der Bank in diesem Bereich natürlich weiter genau beobachten.
In Bezug auf unser Thema Gleichstellung der Geschlechter: Was macht Ihre Organisation beispielsweise heute gut, wo liegen Schwachstellen und welche Anstrengungen müssen Sie noch unternehmen?
(Shinhan, Westpac)
Bei einem vielseitigen Thema wie der Geschlechtergleichheit gibt es verschiedenste Verbesserungsmöglichkeiten für Unternehmen. Dabei darf man die jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede nicht außer Acht lassen. Für das südkoreanische Kreditinstitut Shinhan stellt die historisch und kulturell bedingte geringe Anzahl von Frauen in Führungspositionen eine besondere Herausforderung dar. Aus diesem Grund hat das Unternehmen ein Frauenförderprogramm mit dem klingenden Namen „Shinhan SHeroes“ ins Leben gerufen. Im Zuge dieses Programms konnte Shinhan 2022 die erste Geschäftsführerin in einer seiner Tochtergesellschaften ernennen. Das Unternehmen sieht sich mit diesem Erfolg in seinem Programm bestärkt und wird die Anzahl der weiblichen Führungskräfte weiter sukzessive erhöhen.
Für Westpac, eine australische Bank mit Firmensitz in Sydney, ist Vielfalt ein enorm wichtiges Gut. Man darf sich laut Unternehmensaussage nicht auf Erfolgen der Vergangenheit ausruhen, sondern muss ständig an Verbesserungen arbeiten. So schneidet die Gruppe beim geschlechterspezifischen Lohngefälle gut ab, aber in kleinen Bereichen innerhalb des Unternehmens kommt es noch zu unterschiedlichen Bezahlungen zwischen den Geschlechtern. Westpac geht dieses Problem offensiv an und strebt mithilfe von internen Projekten auf hoher Ebene nach einer raschen Beseitigung dieser Ungerechtigkeit. Bei diesen Projekten werden Gehaltsunterschiede von mehr als 5 % adressiert.
Wie oft bietet Ihr Unternehmen Diversity-Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an?
(National Bank of Canada, Swedbank)
Trainingsprogamme sind essenzielle Werkzeuge, um Geschlechtergleichheit innerhalb eines Unternehmens zu garantieren. Die National Bank of Canada berichtete uns, dass aktuell fast 97 % aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das interne Diversity-Training absolviert haben. Weiters werden obligatorische Schulungen zu den Themen Vielfalt, sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz durchgeführt.
Üblicherweise sind Unternehmen aus Nordeuropa Vorreiter bei vielen Themen der Nachhaltigkeit. Swedbank, eine der größten Banken in Nordeuropa, ist da beim Thema Geschlechtergerechtigkeit keine Ausnahme. Dort sind beispielsweise alle neuen Führungskräfte dazu verpflichtet, Schulungen zu Vielfalt und Integration zu absolvieren. Außerdem sind Gleichberechtigungsschulungen in vielen anderen Pflicht-/Onboarding-Schulungen eingebettet. Swedbank sicherte Raiffeisen Capital Management zu, den eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen.
Erfahren Sie mehr in unserem Nachhaltigkeitsmagazin NACHHALTIG INVESTIEREN – Ausgabe 35 zum Thema Geschlechtergleichstellung.