WASSER – erneuerbare Energiequelle

Wasserkraft war im Jahr 2020 (nach Kohle und Erdgas) an dritter Stelle bei der Stromerzeugung und leistete mit fast 4 500 TWh den signifikanten Beitrag eines Sechstels zur weltweiten Stromerzeugung.1 Wasser ist eine erneuerbare Energiequelle, die zumindest zum aktuellen Zeitpunkt auch in Österreich in scheinbar unerschöpflichen Mengen verfügbar ist.

Die Nutzung der Wasserkraft zur Stromerzeugung hat hierzulande eine lange Tradition. Technisch wird dabei die Bewegungsenergie des Wassers in Laufwasser-, Speicher-, und Pumpspeicherkraftwerke in elektrische Energie umgewandelt. Rund 28 Prozent der in Österreich erzeugten Energie stammten im Jahr 2019 aus Wasserkraft, bei der Stromerzeugung waren Wasserkraftwerke im Jahr 2019 sogar für rund 60 Prozent der inländischen Erzeugung2 verantwortlich.

 

Studienreise nach Kaprun

Thomas Motsch, Carmen Kuster und Hannes Loacker – Raiffeisen Kapitalanlage GmbH

Im Rahmen einer Studienreise des Renewable Energy Systems Masterlehrgang der TU-Wien hatten wir die Gelegenheit, die Kraftwerksgruppe Kaprun, einen der größten Stromproduzenten aus Wasserkraft in Europa zu besuchen. Der erste Teil der Führung durch einen langjährigen Verbund Mitarbeiter und technischen Experten gab einen generellen Einblick über den Aufbau und die Leistungsfähigkeit der Kraftwerksgruppe.

Kaprun ist ein Verbund von Speicherkraftwerken, die teilweise zusätzlich auch die Möglichkeit des Pumpbetriebes besitzen. Speicherkraftwerke nutzen den Höhenunterschied zwischen einem Stausee und dem Krafthaus mit den Turbinen. Das Wasser wird in Stollen geleitet, durch die es nach unten fließt. Am Ende des Stollens trifft das Wasser auf Turbinen, die es in Bewegung versetzt, diese treiben Generatoren an, welche wiederum Strom erzeugen. Bei Pumpspeicherkraftwerken ist auch der umgekehrte Prozess möglich, d. h. dass mit Überschussenergie das Wasser von dem niedrig gelegeneren Speicherbecken wieder in den höher gelegenen Stausee gepumpt werden kann.

Pumpspeicherkraftwerke tragen zur Frequenzstabilisierung bei.

Ihre Flexibilität der Inbetriebnahme macht diese Art von Energiequellen heute so unerlässlich als Reservekapazitäten oder „Grüne Batterien“, denn durch den Umbau des Energiesystems wachsen die Anforderungen an Netze, Kraftwerke und Speicher. Pumpspeicherkraftwerke können zur Frequenzstabilisierung beitragen, d. h. die alltäglichen Schwankungen in unserem Stromsystem glätten und es in Extremsituationen vor einem Blackout bewahren.

Die Stromproduktion in Kaprun erfolgt primär zur Abdeckung von Spitzenlast. Das bedeutet, dass die Turbinen nur dann hochgefahren werden, wenn andere – wetterabhängige – Erzeuger wie z. B. Photovoltaikanlagen gerade keinen Strom ins Netz einspeisen und der angebotene Preis am Markt den Start der Maschinen lohnt. Die jährliche Stromproduktion von Kaprun ist daher im Vergleich zur installierten Leistung von 833 MW mit ca. 742 GWh überschaubar – theoretisch möglich wären 7.297 GWh. Der Jahresnutzungsgrad liegt damit gerade bei 10,2 %.

Das Wasser, das in den Kraftwerken zur Stromerzeugung genutzt wird, stammt zu einem großen Teil aus dem Einzugsgebiet der Möll in Kärnten, in dem mit der Pasterze auch der größte Gletscher Österreichs liegt. Dieses Wasser wird im obersten Bereich der Staustufe im Stausee Margaritze gesammelt und durch den 11,6 km langen Möll-Überleitungsstollen in den Speichersee Mooserboden (Nutzinhalt von 85 Mio m3 Wasser) geleitet oder gepumpt. Im obersten Bereich der Staustufe befinden sich die Kraftwerke Limberg I (2 Maschinensätze, Leistung 112 MW) und Limberg II (2 Maschinensätze, Leistung 480 MW), danach folgt die Sammlung des Wassers im Stausee Wasserfallboden (Nutzinhalt von 81,2 Mio m3 Wasser). Dort erfolgt wiederum die Nutzung im Kraftwerk Kaprun-Hauptstufe (4 Maschinensätze, Leistung 240 MW). Während in den Kraftwerken Limberg I und Limberg II Francis Turbinen eingesetzt werden, so sind im Krafthaus Hauptstufe Pelton Turbinen im Einsatz – diese eignen sich hervorragend für große Fallhöhen und sind flexibler im Bezug auf den Wasserdurchlass, d.h. sie funktionieren auch gut, wenn einmal weniger Wasser durchfließt.

Nachdem wir nun einiges über die Funktionsweise und Wichtigkeit der Kraftwerke erfahren hatten, stand der weitere Weg zu den höheren Stauseen am Programm – zunächst mit eigenen Shuttle-Bussen, die uns durch dunkle Tunnelsysteme führten, wie auch mit einer eindrücklich steilen Seilbahn. Oben angelangt waren wir zunächst von der Schönheit der Landschaft und diesem unglaublichen Grün-Blau der Stauseen überwältigt.

Eindruck hinterließen auch die Staumauern: die 107 m hohe und 494 m lange Staumauer Mooser-Sperre konnten wir nicht nur von außen bestaunen, sondern bei einer Staumauerführung auch das Innenleben dieses imposanten Bauwerks kennenlernen. Mehrere hunderttausend Tonnen Beton sowie tausende Tonnen Stahl wurden für die Konstruktion der Gewichtsmauer mit Bogenwirkung verwendet. Von dieser werden ständig Proben entnommen, um die Belastbarkeit der Mauer zu prüfen – ein Dammbruch würde unweigerlich zur Überflutung des Ortes Kaprun führen. Alle 10 bis 11 Jahre werden die Stauseen geordnet entleert und eine Komplettüberprüfung durchgeführt.

Symbol des Wiederaufbaus

Mehr zur Historie des Kraftwerksprojekts Kaprun, die sich von den ersten Ideen der 30er-Jahre über den 2. Weltkrieg bis zum Wiederaufbau erstreckt, konnten wir auch in der Ausstellung „Erlebniswelt Strom“ erfahren. Dort erfuhren wir u. a., dass die ersten Speicherseen und das Speicherkraftwerk Kaprun-Hauptstufe in den Jahren 1938 bis 1953 mit großem Ressourceneinsatz erbaut wurden. „Aus Arbeit und Opfer ein Werk“, so lautet die Inschrift des riesigen Denkmals für jene Männer und Frauen, die am Bau der Kraftwerke beteiligt waren und als „die Helden von Kaprun“ bezeichnet werden. Ihr siegreicher Kampf gegen die Naturgewalten ging als „Mythos von Kaprun“ in die Geschichte ein und half dem Land nach dem zweiten Weltkrieg, Selbstvertrauen aufzubauen und Hoffnung zu schöpfen. Mit der Inbetriebnahme 1953 wurde Kaprun zum Symbol des Wiederaufbaus in ganz Österreich.

 

Hohes Potenzial in den Schwellenländern

Auch wenn gerade an Limberg III gearbeitet wird – die Potenziale der Großwasserkraft sind heute in Österreich weitgehend ausgebaut. Die zukünftig noch zu erschließenden Potenziale der Wasserkraft in unserem Land liegen vor allem im Bereich der Kleinwasserkraft (Anlagen bis 10 MW Nennleistung) und im Bereich der Anlagenrevitalisierung. Weltweit ist etwa die Hälfte des wirtschaftlich tragfähigen Potenzials der Wasserkraft ungenutzt. Besonders groß ist das Potenzial in Schwellenländern und Entwicklungsländer mit fast 60 %.

1 Quelle: IEA Hydropower Special Market Report – Analysis and forecast to 2030
2 Quelle: de.statista.com, 01.12.2020