Who is WHO?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO sei „dazu verpflichtet, sich auf die Rettung von Leben zu konzentrieren“. Leicht verzweifelt schrieb WHO-Generaldirektor Dr. Tedros am 15. April weiter, „wir haben keine Zeit zu verlieren. Der alleinige Fokus der WHO liegt auf der Arbeit im Dienste aller Menschen, um Leben zu retten und die Covid-19-Pandemie zu stoppen“, und fügte hinzu: „Eines der wichtigsten Dinge, die wir in den letzten Monaten über Covid-19 gelernt haben, ist, dass wir die Ausbreitung des Virus umso mehr erschweren, je schneller alle Fälle gefunden, getestet, isoliert und betreut werden. Dieses Prinzip wird Leben retten und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abmildern.“

Dem wäre nichts entgegenzusetzen. Zuvor kündigte allerdings US-Präsident Donald Trump an, sein Land werde die Beiträge an die WHO aussetzen, da seine Regierung mit der Reaktion der Organisation auf Covid-19 nicht zufrieden sei. Er warf der WHO vor, „China-zentriert“ zu agieren und durch ihr Fehlverhalten verantwortlich für tausende Tote zu sein. Auch zuletzt wurde dieser Vorwurf wieder verstärkt – nur die schon bekannte Politrhetorik des US-Präsidenten im Umfeld einer dramatischen wirtschaftlichen Entwicklung? Was ist nun diese WHO?

Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UNO) mit Sitz in Genf. Sie wurde wenige Jahre nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg, am 7. April 1948, gegründet. Ihre Mitglieder setzen sich aus weitgehend allen UNO-Mitgliedsstaaten zusammen, daneben gibt es noch weitere Völkerrechtssubjekte mit Beobachterstatus wie u. a. die Palästinensische Autonomiebehörde oder den Malteserorden.

Die WHO wird seit Juli 2017 von WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus geleitet, er folgte übrigens der (Hongkong-)Chinesin Margaret Chan nach, die in ihrer früheren Funktion als Gesundheitsdirektorin in der Regierung von Hongkong die Bekämpfung von Vogelgrippe H5N1 (1997) und SARS (2003) verantwortete. Der gebürtige Äthiopier Tedros ist promovierter Immunologe und Sozialmediziner, aber mit ihm ist erstmals in der Geschichte der WHO nicht ein Arzt Generaldirektor. Er bekleidete vor der Wahl zum Chef der WHO Ministerämter in Äthiopien, leitete dort eine umfassende Reform des Gesundheitssystems ein und etablierte dabei eine universelle Krankenversicherung.

 

Die globale Bedeutung der WHO

Seit dem Zweiten Weltkrieg gewann staatliche Gesundheitsvorsorge stark an Bedeutung, dabei wurden auch nationale Grenzen überschritten. Die globale Relevanz der WHO in der Gesundheitspolitik ist weitgehend unbestritten, sie spielt auch eine wesentliche Rolle bei der Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (die 17 SDGs – Sustainable Development Goals). Nicht nur im zentralen Ziel „Gesundheit und Wohlergehen“, sondern auch in Subzielen von Wasser und Sanitäreinrichtungen bis zu Gewalt und Ausbeutung. Folglich übernimmt die WHO dabei eine zentrale Rolle bei der globalen Gesundheitsstatistik als Grundlage für globale Maßnahmen und Gesundheitsprogramme.

Und damit kommen wir bereits wieder auf Covid-19 zurück. Die WHO hängt großteils von den Datenlieferungen lokaler, nationaler Behörden ab. Der mittlerweile immer lauter werdende Vorwurf, die VR China hätte Daten zurückgehalten, manipuliert bzw. verharmlost, trifft damit auch die WHO. Zu Recht?

Nicht nur die VR China, auch andere Staaten wie die USA verfolgen jedoch eine größere geopolitische Agenda. Gerade die USA haben zuletzt den Weg des Multilateralismus verlassen, um verstärkt ein national-protektionistisches Vorgehen zu verfolgen, „America first!“. Diese Haltung finden auch einige weniger bedeutende Staaten immer attraktiver und multilaterale Organisationen wie die UNO – mit ihr auch die WHO oder andere UN-Organisationen, letztlich auch die EU – verlieren dabei kontinuierlich an Standing.

Die WHO ist aber auch selbst Teil eines weltpolitischen Spiels: Taiwan hat aufgrund eigener Daten sehr früh, Ende Dezember, die WHO vor einer neuen Welle von Lungenentzündungen gewarnt, die von Mensch zu Mensch übertragen werden, was damals ja noch von der VR China bezweifelt wurde. Die WHO blockiert Taiwan wiederum, denn auf Betreiben der VR China wurde Taiwan 1971 aus der UNO praktisch ausgeschlossen und hat nicht einmal Beobachterstatus, wie etwa die eingangs erwähnten Organisationen. Hier geht offenbar Welt- vor Gesundheitspolitik. Und Generaldirektor Tedros spielt dabei eine unglückliche Rolle und wird zur Zielscheibe der USA. Das Image eines China-Apologeten wird ihm noch länger bleiben.

 

Kampf um geopolitischen Einfluss

Zur Erhellung des Hintergrunds: Tedros war von 2005 bis 2012 äthiopischer Gesundheitsminister, daran anschließend Außenminister. Dabei knüpfte er enge Bande an die VR China, deren Investitionsprogramm in Äthiopien das größte in Afrika ist. Internationale Kritiker behaupten, China stürze afrikanische Länder in die Schuldenfalle und schaffe damit Abhängigkeit, eine Form von modernem Kolonialismus. Insgesamt erhielten afrikanische Staaten seit 2000 mehr als 100 Milliarden Dollar, weitere 50 sollen folgen.

Zurück zur WHO, vor der dieser Kampf um geopolitischen Einfluss nicht Halt macht. Abseits der Kosten der Verwaltung einer solchen globalen Organisation hatte die WHO ein Zwei-Jahres-Budget für ihre Gesundheitsprogramme von etwa 4,4 Milliarden Dollar zur Verfügung. Der jährliche reguläre Beitrag der USA von etwas über 100 Millionen Dollar ist zwar der größte nationale Beitrag, macht aber insgesamt keinen großen Teil aus und ist geringer als der durchschnittliche Jahresüberschuss in den letzten Jahren. Das wäre also verkraftbar. Aber die Symbolik ist verheerend. Deshalb haben zahlreiche vornehmlich europäische Staaten sogleich protestiert. Denn die Verdienste der WHO um die globale Gesundheitspolitik, Bekämpfung von Epidemien und Seuchen sind unbestritten.

Aber die WHO finanziert sich nur noch zu einem relativ geringen Teil (20–25 %) über ordentliche Beiträge der Mitgliedsstaaten, es überwiegen staatliche Sonderzahlungen (Europa spielt hier eine Rolle) und Finanzierungen etwa auch durch Stiftungen, vor allem für dedizierte Programme (Impfkampagnen, Medikamente).

 

Kritik berechtigt?

Kritiker meinen nun vermehrt, unlautere Geschäftsinteressen zu erkennen. Ein Vorwurf aus dieser Ecke: Als 2009 die Schweinegrippe ausbrach, löste die WHO mit ihren Warnungen vor der Pandemie eine weltweite Panik aus. Regierungen sahen sich genötigt, ihre Lager rasch mit Impfstoffen und Medikamenten gegen die Schweinegrippe zu füllen. Alleine die deutsche Bundesregierung orderte damals im Wert von 450 Millionen Euro. Als die Pandemie ausblieb, mussten die Medikamente vernichtet werden, die Pharmaindustrie profitierte dennoch.

Vielleicht war das auch ein Grund, warum die WHO diesmal etwas zögerlicher, nämlich erst Ende Jänner, die Pandemie ausrief. Doch auch diesmal wird ihr daraus ein Vorwurf gemacht. Jedenfalls hat nach dem Aufkommen massiver Kritik Mitte April die VR China die Sterblichkeitsdaten aus Wuhan, dem anfänglichen Epizentrum der Epidemie, deutlich nach oben korrigiert. Ein erster kleiner Schritt in Richtung mehr Transparenz?

Autor: Mag. Klaus Glaser