„Wir brauchen Mainstreaming“

Round-Table-Diskussion zum Thema grüne Anleihen und ihre Wirkungsmöglichkeiten

Moderation: Mag. (FH) Dieter Aigner

Geschäftsführer der Raiffeisen KAG

Für die Umsetzung der Pariser Klimaziele und der SDGs* der Vereinten Nationen werden enorme Summen benötigt. Welche Rolle spielen Green Bonds dabei in Österreich?

Josef Plank: In den vergangenen 20 Jahren habe ich mich sehr stark mit dem Thema Nachhaltigkeit und insbesondere mit der Energiewende befasst. Da gab es durchaus Durststrecken. Doch derzeit bin ich extrem motiviert und auch zuversichtlich, weil ich sehe, dass jetzt die Themen schön langsam auf den Boden kommen. Nicht nur auf nationaler und regionaler Ebene, sondern auch international. Die öffentlichen Haushalte werden – auch perspektivisch gesehen – nur über knappe Budgets verfügen. Das heißt, die großen Investitionen in der Klima- und Energiepolitik werden sehr stark vom freien Markt, unter gewissen Rahmenbedingungen, finanziert werden müssen. Privates Kapital ist hier richtig eingesetzt und kann einen ganz großen Beitrag leisten, sodass die Kosten nicht die Budgets der öffentlichen Hand belasten. Da ist vieles in Bewegung gekommen und auch die Finanzierbarkeit ist keinesfalls ein Sorgenkind. Wenn man das politisch umsetzt, könnte man einen Haken machen und wir hätten für die nächsten zehn, 15 Jahre eine ideale Investitionsgrundlage.

 

Von staatlicher Seite werden in Österreich noch keine Green Bonds begeben, im Unterschied zu anderen europäischen Staaten, die dieses Instrument schon nutzen.

Josef Plank: Ich bin durchaus auch für die staatliche Seite optimistisch. Mit einer neuen Regierung kann eine neue Dynamik entstehen. Ich gehe sogar davon aus, dass Green Bonds in Österreich ein beachtliches Thema werden. Die Amtsantrittsrede von Christine Lagarde in der Europäischen Zentralbank hat deutlich gemacht, wie wichtig Klimapolitik auf europäischer Ebene geworden ist. Das kommt auch bei den Staaten an. Wir müssen nur auch hier in Österreich anfangen, in neuen Möglichkeiten zu denken. Die Dinge sind schon erfunden, stehen aber noch nicht oben auf der Prioritätenliste.

DI Josef Plank
Österreichischer Raiffeisenverband, davor Generalsekretär im Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus

Da könnte man nach Frankreich schauen. Dort ist man schon wesentlich weiter.

Christian Zima: Frankreich ist bei Green Bonds sicherlich ein Vorreiter. Das Land hat schon zahlreiche Emissionen begeben. Auch die bislang größte Anleihe – mit rund 20 Milliarden ausstehendem Kapital – ist eine staatliche Anleihe Frankreichs. Und da werden weitere Green Bonds folgen. Auch die französischen Banken sind in diesem Segment sehr aktiv. Darüber hinaus gibt es Projekte, für die eigene Gesellschaften gegründet werden. Dazu zählt jenes um den „Grand Paris Express“ im Großraum Paris. Einem U-Bahn-Projekt, bei dem in den nächsten 20, 25 Jahren die Pariser Metro um 200 Kilometer erweitert werden soll. Das wird alles über den Kapitalmarkt finanziert. Da geht es um insgesamt 40 Milliarden Euro, um 100.000 neue Jobs, 100 Milliarden BIP, die neu generiert werden sollen. Es geht um Immobilienprojekte mit 20 Millionen m2 Wohnraum. Denn die Leute sollen in der Nähe der neuen U-Bahn-Stationen wohnen können, damit sie öffentlich zu ihren Arbeitsplätzen kommen. Das Einsparungspotenzial auf der CO2-Seite wird mit 28 Millionen Tonnen in den nächsten 20 Jahren angegeben und ist enorm. Die Franzosen sind anderen Ländern hier sehr weit voraus. Und haben auch gesetzliche Rahmenbedingungen, bei denen Investoren sehr viel vorgeschrieben wird, was Nachhaltigkeit betrifft.

Alfred Strigl: Frankreich ist durch eine engagierte Gesetzgebung und eine Reportingpflicht von Unternehmen ganz anders aufgestellt als der Rest von Europa. Dort ist das Thema Klimabewusstsein mit dem Terminus technicus „Paris“, nämlich dem „Paris Agreement“, verknüpft. Es ist sehr einfach zu erklären, warum Frankreich und Paris so viel machen. Die Franzosen haben sich da reingehängt, der Name bürgt für das. Und da Frankreich ein zentral organisierter Staat ist, kann es das auch so konsequent ausrollen.

 

Auch in Österreich sind neue Verkehrsprojekte angedacht, beispielsweise der Ausbau der S-Bahn in und um Wien. Sowohl Land als auch Bund könnten solche Projekte über den Kapitalmarkt finanzieren. Was hält sie davon ab?

Josef Plank: Unsere zusätzliche Hürde ist die Kompetenzsituation. Das ist nicht so einfach wie im zentralistisch gelenkten Frankreich. In diesem speziellen Fall ist das für Frankreich hilfreich. Österreich hätte nun ein Instrument in der Hand, um Finanzierungsfragen zu lösen, die früher zwischen Land und Bund verhandelt und finanziert wurden, doch ich bin optimistisch, dass dieses Instrument zukünftig stärker eingesetzt wird. Denn schön langsam wird – auch im föderalistischen Staat Österreich – der Boden dafür geschaffen.

DI Dr. Alfred Strigl
Managing Partner und Gründer, Plenum

Ist der Green-Bond-Markt genügend reguliert bzw. standardisiert?

Alfred Strigl: Was es zu vermeiden gilt, ist das Drama der gläsernen Decke. Wir haben es uns in verschiedenen Systemen so eingerichtet, dass es einen Mainstream gibt, der 80, 85, 90 Prozent abdeckt. Es gibt mittlerweile einen ethischen Markt, einen grünen Markt und einen Naturmarkt. All diese Märkte sind wahnsinnig gut standardisiert, kontrolliert und auditiert. Wir haben seit 30 Jahren in Österreich den biologisch-ökologischen Landbau auf einer Höhe von 20 Prozent. Seit 30 Jahren! Und warum passiert da nichts? Weil der Mainstream damit gemütlich auskommt und weil die 20 Prozent damit auch gemütlich auskommen. Man kann das gerne regulieren und standardisieren. Was wir aber brauchen, ist ein Mainstreaming. Wir brauchen große Mengen von Kapital, die wir in die richtige Richtung lenken. Ein Finanzierungsinstrument, wo Otto Normalverbraucher mit 100 Euro dabei sein kann, völlig barrierefrei. Dahin müssen wir kommen: barrierefreie Green Bonds. Jetzt liegt die Grenze bei 1.000 Euro oder 10.000 Euro. Viele institutionelle Anleger kaufen diese Papiere auf und machen so die Schotten dicht für die große Masse, weil das Angebot kleiner ist als die Nachfrage. Und deswegen kommen wir nicht zum gewünschten Mainstream. Ja, ich bin für Standards, wenn wir gleichzeitig nicht vergessen, dass wir das Ruder herumreißen müssen. Wir müssen substanzielle Dinge bewegen. Wir haben ein Pipifax-Volumen von 200 Milliarden jährlich, das wir in Green Bonds investieren. Wie viel ist das? Wir reden von Promille! Wir reden von einem Promille-Nischenprogramm, das sich gerne aufplustert.

 

Wie können wir Mainstream erreichen?

Alfred Strigl: Wir brauchen eine Alphabetisierung im Bereich Finanzkapital und das haben wir nicht. Finanz und Geld sind immer noch ganz schwierige Tabus. Wir brauchen einen Imagewandel des Geldes. Sichtbar machen, dass Geld Gutes tun kann. Dann werden diese Instrumente auch ganz anders und viel häufiger eingesetzt und genutzt werden.

 

Wie stellt sich das Thema aus der Sicht des Investors dar?

Christian Zima: Es gibt noch keine gesetzlichen Regelungen. Es ist alles relativ frei. Allerdings gibt es einen Marktstandard, der über die Green Bond Principles definiert ist. Darin ist unter anderem festgelegt, wie man zu den Projekten kommt und zum Reporting. Transparenz ist wichtig. Ansonsten gibt es noch die Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen, die von den Wirtschaftsprüfern bestätigt werden. Von staatlicher Seite gibt es relativ wenig Vorgaben. Ich würde mir da manchmal sogar mehr wünschen, weil diese im Wettbewerb mit anderen Anbietern Chancengleichheit schaffen würden. Denn nicht in allen Green-Bond-Fonds wird es mit den Projekten so genau genommen. Das schafft mitunter Nachteile für die, die das mit Ernsthaftigkeit betreiben. Für uns ist die Second Party Opinion wichtig. Das bedeutet, dass ein externer Begutachter, eine Ratingagentur, das Papier positiv bewertet und es den Green Bond Principles entspricht. Wir investieren nur in Anleihen, die diese Second Party Opinion auch veröffentlichen. Und natürlich schauen wir uns die Projekte selbst an, um zu sehen, welcher Impact erzielt wird. Leider gibt es ex ante wenig Impact Reporting. Da kann man sicherlich noch einiges tun.

Dipl.-Bw. (BA) Katarzyna Kapeller
Teamleiterin Treasury, Raiffeisen Bank International (RBI)

Hadert man als Emittent von Green Bonds mit ähnlichen Schwierigkeiten?

Katarzyna Kapeller: Durchaus. Auch ich habe mir am Anfang gewünscht, dass die Green Bond Principles detaillierter wären, weil wir uns schwergetan haben, Projekte einzusortieren. Bei Immobilien war es noch relativ klar, aber bei den Energieeffizienzthemen war es nicht so einfach. Wir bekommen viele spannende Projekte herein und dann weiß man nicht, wo man das zuordnen soll, nämlich auch nicht in welche Kategorie. Und wie berechne ich den Impact im Nachhinein? Denn auch das muss bereits vor der Kreditvergabe festgelegt werden, damit der Kunde hier einen klaren Auftrag hat, das zu liefern. Man muss also schon vorher wissen, welche Zahlen gebraucht werden. Jetzt, nach zwei Jahren Erfahrung, bin ich routinierter, aber am Anfang war das teilweise recht mühselig. Auf der anderen Seite sind unsere Kredite und Geschäfte so verschieden und individuell, dass sie teilweise nicht in die Kategorien reinpassen, da wäre eine zu enge Definition also auch nicht hilfreich. Ein Beispiel: Wir haben einen Kunden, der Verpackungen aus Pflanzenabfällen herstellt. Unter anderem sind folgende Fragen zu klären: Welcher Impact hinsichtlich CO2-Einsparung wird erzielt, bei wie viel Tonnen von Verpackungen? Was ist da die Benchmark? Welche Alternativen gibt es? Das sind Fragen, bei denen ich mich als Emittent schwertue. Wir sind ja keine Spezialisten. Mehr Definition, vor allem für die Berechnung des Impacts, wäre sehr, sehr wünschenswert.

 

Was waren die Motive für die Emission von Green Bonds in der Raiffeisen Bank International?

Katarzyna Kapeller: Die Initiative erfolgte seitens Treasury. Mit Green Bonds sollte das Funding über die nächsten Jahre gesichert werden. Am Anfang fand ich das Thema schon etwas esoterisch. Das ist jetzt fünf Jahre her. Zwei Jahre später waren wir sicher: Da beginnt jetzt etwas. In der Zwischenzeit habe ich auch Kinder bekommen – da macht man sich schon mehr Gedanken über die Zukunft. Schon bald war das gesamte Treasury-Managementteam davon überzeugt, dass das ein Zukunftsweg sein wird. Den Vorstand der RBI konnten wir Anfang 2018 überzeugen. Mittlerweile steht das gesamte Board hinter den Green-Bond-Emissionen. Die erste grüne Anleihe haben wir im Juni 2018 emittiert, die zweite jetzt im September 2019. Wir haben auch jeweils eine Retail-Emission in Tschechien und Österreich begeben. Mir ist wichtig, dass wir das Tool auch in den Osten exportieren, weil ich über das Angebot von grünen Anleihen Bewusstsein bei den Kundenbetreuern schaffen möchte. Und über die Kundenbetreuer dann auch bei den Kunden. Mittelfristig möchten wir die Assets in Osteuropa in grüne Anleihen verpacken.

Mag. Christian Zima
Fondsmanager des Raiffeisen-GreenBonds, Raiffeisen KAG

Ist die Auswahl an Emittenten groß genug für einen Fondsanleger?

Christian Zima: Sie wird zumindest immer größer. Wir haben aktuell rund 800 Emittenten, die im Schnitt zwei Emissionen begeben. Das ist okay, wobei die Volumina, verglichen mit anderen Assetklassen, natürlich noch immer sehr gering sind. In den letzten fünf Jahren hat sich aber sehr viel getan. Derzeit sind ca. 600 Milliarden ausstehend. Wir setzen dabei sehr stark auf supranationale Emittenten wie beispielsweise die Asiatische Entwicklungsbank oder die Europäische Investitionsbank, haben aber auch staatsnahe Emittenten wie französische Finanzagenturen oder deutsche Investitionsbanken im Portfolio. In Österreich gibt es für uns vier investierbare Green Bonds, jene der Verbund AG, der RBI und der Hypo Vorarlberg.

 

Green Bonds rücken auch bei Privatanlegern immer mehr in den Fokus.

Christian Zima: Gerade im Anleihebereich ist es für Investoren oft nicht erkennbar, was Unternehmen mit dem Geld finanzieren: beispielsweise einen Aktienrückkauf, die Übernahme eines Konkurrenten oder die Refinanzierung auslaufender Bonds. Bei grünen Anleihen ist das anders. Impact Investing ist ein interessanter Aspekt auch für Privatanleger. Im Fall von Green Bonds weiß man, dass die Veranlagung in klimarelevante Projekte fließt und was sie bewirkt. Studien zeigen, dass ein Investment von 1.000 Dollar in erneuerbare Energien 500 Kilo CO2 pro Jahr einsparen kann. Die transparente Darstellung ist ein wichtiger Punkt, um die Sinnhaftigkeit des Investments zu verdeutlichen.

 

Was müsste sich aus Emittentensicht verbessern, damit mehr grüne Anleihen auf den Markt kommen?

Katarzyna Kapeller: Ich würde mir zwei Dinge wünschen: Zum einen hätte ich gerne mehr Vereinheitlichung auf der Impact-Berechnungsebene. Die Vergleichbarkeit von Emittenten oder Emissionen miteinander ist sehr schwierig. Eine klare Definition, wie die CO2-Einsparung zu berechnen ist und welche Benchmark angewendet werden muss, wäre extrem hilfreich. Das ist auch das, was unsere Investoren in erster Linie von uns wollen. Mein zweiter Wunsch betrifft die Datenbereitstellung, um den Impact überhaupt berechnen und die Assets klassifizieren zu können. Im Besonderen geht es mir dabei um die Energiezertifikate bei Immobilien. Wir brauchen eine offizielle Datenbank mit standardisierten Eingaben, auf die wir zurückgreifen können. Italien und die Niederlande sind hier schon wesentlich weiter, dort können derlei Informationen auf Knopfdruck und in einheitlicher Form abgerufen werden. Diese Daten brauchen wir für unsere granularen Portfolios. Ich bin überzeugt, dass das Fehlen einer derartigen Datenbank mit ein Grund dafür ist, dass es noch nicht mehr Green Bonds in Österreich gibt. Denn dahinter stehen unglaubliche IT-Projekte und auch Kosten. Natürlich geht es hier auch um Datenschutz. Aber man muss auch die Interessen abwägen: Klimaschutz versus weniger Datenschutz.

 

Der CO2-Footprint von Österreich wird stark gespeist von privaten Haushalten. Eine einigermaßen einheitliche Messung wäre ein wichtiger Punkt. Insgesamt wird, was den ökologischen Fußabdruck betrifft, viel interpretiert: Hat der CO2-Footprint das Potenzial, die größte Lüge der Menschheit zu werden?

Alfred Strigl: Ein Selbstbetrug. Der Emission Gap Report bringt es klar auf den Punkt. Selbst wenn wir alles umsetzen, wozu wir uns freiwillig und auch nicht freiwillig kommittiert haben, hätten wir am Ende des Jahrhunderts durchschnittlich 3,2 Grad plus auf diesem Planeten. Das heißt, wir brauchen eine Art Lawine oder exponentielle Entwicklung. Wir müssen richtig Substanz gewinnen. Und das, was mir dazu einfällt, ist tatsächlich das Finanzkapital. Das rasch irgendwohin transferiert werden kann. Wir müssen die Barrieren im Kopf abbauen und solche Instrumente sowohl von staatlicher als auch von privater Seite viel stärker einsetzen.

Erfahren Sie mehr in unserem Nachhaltigkeitsmagazin NACHHALTIG INVESTIEREN – Ausgabe 26 zum Thema Green Bonds.

* Sustainable Development Goals (SDGs), Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen